Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer auf die Verteilung eines rufschädigenden Flugblatts gestützten Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verteilung eines rufschädigenden Flugblatts kann grundsätzlich die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
2. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Flugblatt nur an einen einzigen Arbeitnehmer verteilt worden ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 15.06.2015; Aktenzeichen 4 Ca 137/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.06.2015, Az.: 4 Ca 137/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zu gelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 21.01.2015 zum 30.04.2015.
Die Beklagte, die ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt einen Paketdienstleister. Es besteht ein Betriebsrat.
Der am 06.05.1977 geborene und verheiratete Kläger, der zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist bei der Beklagten zumindest seit dem 01.04.2006 im Depot E., zuletzt als Teamleiter, beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt beträgt 2.400,00 €.
Die Beklagte wirft dem Kläger die Verteilung von rufschädigenden Flugblättern vor. Schon im September 2014 wurden vor dem Betriebstor der Beklagten Flugblätter an Betriebsangehörige verteilt, Bl. 35 GA. Darin wurde in deutscher und türkischer Sprache u.a. behauptet, "die E. behandelt uns wie Sklaven"; den "Aushilfen werden ihre elementaren Rechte genommen, wie ihr gesetzlicher Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall"; "E. kauft sich unternehmerfreundlichen Betriebsrat". Unterzeichnet waren die Flugblätter mit "Kolleginnen und Kollegen des E.-Depots E.-I., September 2014". Als verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes war der Name "N. X." in E. angegeben, dessen Existenz unter der aufgeführten Anschrift nicht feststellbar war.
Ob und in welchem Umfang der Kläger danach entsprechende Flugblätter bei anderen Gelegenheiten verteilte, ist streitig. Dabei kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit bereits durch Kündigung vom 24.10.2014 zum 31.01.2015 wegen des Vorwurfs der Verteilung eines entsprechenden Flugblattes. Da sich dieser Vorwurf jedoch nicht verifizieren ließ, erklärte die Beklagte im Kammertermin am 25.11.2014, sie leite keinerlei Rechte mehr aus dieser Kündigung her. Nunmehr geht es um den Vorwurf, der Kläger habe während einer Mahnwache für L., die vom 13. - 18.10.14 vor dem E. HBF stattfand, am 13.10.2014 entsprechende Flugblätter verteilt.
In diesem Zusammenhang stellte sie den Kläger ab dem 07.01.2015 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 12.01.2015 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers mit der Begründung an, er habe am 13.10.2014 im Rahmen einer Mahnwache am E. Hauptbahnhof Flugblätter verteilt, in denen es um die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten ginge, Bl. 37 GA. Mit Schreiben vom 12.01.2015 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.04.2015.
Mit seiner am 28.01.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 30.01.2015 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe am 13.10.2014 keine Flugblätter verteilt. Er sei an diesem Tag nicht einmal bei der Mahnwache anwesend gewesen, sondern habe sich zu Hause befunden. Zudem bestreitet er, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Die im Anhörungsschreiben zitierten "Statements" seien der Anhörung nicht beigefügt gewesen. Auch sei er bereits seit dem 02.04.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Daraus ergebe sich eine Kündigung von 4 Monaten zum Monatsende.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.01.2015 zum 30.04.2015 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Teamleiter für die Beladung weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meinte erstinstanzlich, die Kündigung sei wirksam, weil der Kläger in erheblichem Umfang gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe, indem er am Abend des 13.10.2014 gegen 22.00 Uhr vor dem E. Hauptbahnhof im Rahmen der Mahnwache für die kurdische Stadt L. an den Zeugen H. als Betriebsangehörigen der Beklagten und desweiteren an den betriebsfremden Zeugen T. Flugblätter verteilt habe. Inhalt der verteilten Flugblätter seien die angeblichen Zustände bei der E.. Auch der Zeuge ×., ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten, habe den Kläger am Abend des 13.10.2014 bei der Mahnwache gesehen. Die in dem Flugblatt enthaltenen Behauptungen und Äußerunge...