Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines als „Arbeitsvertrag“ bezeichneten Vertrages, der eine Dienstpflicht als Entgelt für eine zu leistende Zahlung nicht vorsieht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vereinbarung, wonach die eine Partei eine Zahlung zu leisten hat, für die die andere Partei nach ausdrücklicher Vereinbarung gerade keine Leistung erbringen muss, ist kein Austauschvertrag und damit auch kein Dienstvertag und kein Arbeitsvertrag. Schließen die Vertragsparteien den bewusst und gewollt auf die Vereinbarung einer solch einseitigen Leistungsverpflichtung gerichteten Vertrag gleichwohl unter der Bezeichnung "Arbeitsvertrag" ab, so handelt es sich um ein Scheingeschäft, das gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist.

2. Die Überlegung, ein Scheingeschäft läge nicht vor, weil die Parteien die Wirkungen des vereinbarten Arbeitsvertrages, etwa in Gestalt der Begründung eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, gewollt hätten (so Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 22. November 2002 - 11 Sa 697/02 -, juris; u.U. auch BAG, Beschluss vom 25. Januar 2007 - 5 AZB 49/06 -, juris) übersieht, dass der Wille der Parteien nicht gerade nicht auf die "Wirkung des Rechtsgeschäftes" (Begründung eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Vergütung) gerichtet war. Gewollt war vielmehr allein die Vorspiegelung eines dahingehenden Rechtsscheins zu dem Zweck, Dritte durch die irrige Annahme, es läge tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vor, dazu zu veranlassen, auch die in ihrem Zusammenhang maßgeblichen Kriterien, etwa für das Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses und/oder für die steuerliche Anerkennung von Entgeltzahlungen als Betriebsausgaben, zu bejahen.

 

Normenkette

BGB §§ 117, 611, 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Entscheidung vom 08.11.2018; Aktenzeichen 4 Ca 979/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.10.2020; Aktenzeichen 5 AZR 409/19)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 08.11.2018 - 4 Ca 979/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung von rückständigen Gehältern unter Berufung auf ein Arbeitsverhältnis.

Die Beklagte wurde im Jahr 2003 gegründet. Gesellschafter waren damals der jetzige Geschäftsführer der Beklagten, Herr I. T., und der Ehemann der Klägerin, Herr N. V.. Letzterer besaß zum damaligen Zeitpunkt die Mehrheit der Gesellschaftsanteile.

Im September 2005 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag, wonach sie für die Beklagte als Beraterin - zuletzt gegen ein Entgelt von € 3.759,31 brutto monatlich - tätig sein sollte. Inwieweit die Klägerin jemals Arbeitsleistung für die Beklagte erbrachte, ist unklar. Im Jahr 2018 hat sie unstreitig keinerlei Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht.

Im Jahr 2015 gingen die Gesellschaftsanteile des Ehemanns über eine Zwischenperson auf den Sohn der Klägerin und ihres Ehemanns, Herrn E.-B. V. über. Nachdem es im Jahr 2017 zu Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern gekommen war, wurde Herr T. zunächst als Mitgeschäftsführer abberufen und der Sohn der Klägerin zum Alleingeschäftsführer bestellt. Tatsächlich nahm jedoch der Ehemann der Klägerin diese Aufgabe wahr. Schließlich verkaufte der Sohn der Klägerin im Dezember 2017 seinen Geschäftsanteil an Herrn T., der sodann Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Beklagten wurde. In dieser Eigenschaft kündigte er das Anstellungsverhältnis der Klägerin zum 31.05.2018.

Mit Schreiben vom 02.03.2018 machte die Klägerin Arbeitsentgelt aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis für die Monate Februar 2018 und März 2018 in Höhe von "brutto € 7.518,62 = netto € 5.168,98" gegenüber der Beklagten geltend und setzte eine Zahlungsfrist bis zum 10.03.2018. Auf die mit der Klageerwiderung als Anlage B2 vorgelegte Kopie wird Bezug genommen.

Da keine Zahlung erfolgte, hat die Klägerin mit ihrer am 18.06.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zunächst Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate März bis Mai 2018 in Höhe von "€ 11.277,93 brutto = € 5.535,54 netto" verlangt und die Klage mit Schriftsatz vom 29.06.2018 um die Zahlung weiterer € 3.759,31 brutto = € 1885,18 netto erweitert, weil auch das Gehalt für Februar 2018 nicht gezahlt worden sei.

Die Klägerin hat behauptet, am 14.11.2017 mit ihrem Ehemann die Vereinbarung getroffen zu haben, dass sie im Falle der Kündigung von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werde. Dabei habe ihr Ehemann als bevollmächtigter Vertreter ihres gemeinsamen Sohnes in dessen damaliger Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten gehandelt. Am darauf folgenden Tag habe zwischen ihrem Ehemann als Vertreter des Sohnes und dem Gesellschafter Herrn T. ein Gespräch stattgefunden, bei dem man übereingekommen sei, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit gesetzlicher Frist ordentlich gekündigt und die Klägerin nach Erhalt der Kündigung unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt werde. A...

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