Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer hinsichtlich des Beendigungszeitpunkts nicht hinreichend bestimmten Kündigung. Tatsächliche Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch den Betriebsnachfolger für die Annahme eines Betriebsübergangs
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine hinsichtlich des Beendigungszeitpunkts nicht hinreichend bestimmte Kündigung ist unwirksam. Eine fehlende Bestimmtheit führt dazu, dass nicht erkennbar wird, zu welchem Datum eine Kündigung wirken würde, wenn der Arbeitnehmer sie nicht angreift. Auch sozialrechtlich ist erforderlich, dass zweifelsfrei feststeht, zu welchem Datum das Arbeitsverhältnis enden soll, nämlich zu wann die Meldung als "arbeitssuchend" erfolgen muss und wann die Frist des § 38 Abs. 1 SGB III beginnt.
2. Soweit auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin möglich ist, muss allerdings die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar sein und darf nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordern. Was unter dem "nächstmöglichen Zeitpunkt" bei Zugang der Kündigung zu verstehen war, muss der Empfänger im Wege eines einfachen Rechenschritts ermitteln können. Deshalb ist eine solche Kündigung nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll; gleiches gilt, wenn nach gehöriger Auslegung aus Sicht des Erklärungsempfängers mehrere Termine als gewollt möglich bleiben.
3. Als ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung des Vorliegens eines Betriebs(teil)übergangs i. S. d. Richtlinie 2001/23/EG ist im Luftverkehrssektor der Übergang von Material anzusehen. Insoweit ist das Eintreten in Miet- bzw. Leasingverträge über Flugzeuge und deren tatsächliche Nutzung von besonderer Bedeutung wie auch eine etwaige Übernahme weiterer Ausrüstungsgegenstände. Als Teilaspekt zu berücksichtigen sein kann ferner, wenn Zeitnischen auf Flughäfen (Slots) auf einen neuen Inhaber übergegangen sind.
4. Ein Betriebsteilübergang betrifft nur solche Arbeitnehmer, die in den übergegangenen Betriebsteil tatsächlich eingegliedert waren.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2; Rom I-VO Art. 12 Abs. 1 Buchst. d; KSchG §§ 4, 7
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.03.2021; Aktenzeichen 10 Ca 5921/20) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.03.2021 - Az.: 10 Ca 5921/20 - teilweise abgeändert und
- festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1) durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2020 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger 1.670,30 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2021 zu zahlen.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.07.2021 - Az.: 10 Ca 1476/21 - teilweise abgeändert und die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger 1.621,57 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2021 zu zahlen.
III. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.06.2021 - Az.: 4 Ca 5893/20 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 10.09.2020 nicht aufgelöst worden ist.
IV. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu dem Az. 10 Ca 5921/20 tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 1) zu 3/4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu dem Az. 10 Ca 1476/21 tragen der Kläger zu 86% und die Beklagte zu 1) zu 14%. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu dem Az. 4 Ca 5893/20 tragen der Kläger und die Beklagte zu 2) zu je 1/2. Die gerichtlichen sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 55%, die Beklagte zu 1) zu 25% und die Beklagte zu 2) zu 20%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) im Berufungsverfahren tragen diese zu 88% und der Kläger zu 12%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren tragen diese zu 29% und der Kläger zu 71%.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Beklagten zu 1) und des weiteren Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) durch die von beiden Beklagten jeweils mit Schreiben vom 10.09.2020 ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen, über Annahmeverzugsansprüche des Klägers, einen Anspruch auf Zahlung einer sog. Sektor-Zulage für November und Dezember 2020 sowie über die Frage eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) und einen Weiterbeschäftigungsanspruch gegen diese.
Bei der Beklagten zu 1) handelte es sich um ein Flugunternehmen mit S...