Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

 

Leitsatz (amtlich)

§ 6 Ziff. III RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.09.1993 beinhaltet eine deklaratorische Regelung mit der Konsequenz, daß der Arbeitnehmer gem. §§ 3 (1), 4 (1) EFZG nur Anspruch auf 80 % Entgeltfortzahlung für die Dauer seiner Erkrankung hat.

 

Normenkette

RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.09.1993 § 6 Ziff. III

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 26.03.1997; Aktenzeichen 4 Ca 344/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom26.03.1997 – 4 Ca 344/97 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 960,40 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten vom 21.08. bis 22.11.1996 als Bauhelfer zu einem Stundenlohn von 20.19 DM brutto bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis fand der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.09.1993 (im folgenden RTV) Anwendung:

Die Partei streiten über die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers.

§ 6 Ziff. III RTV hat folgenden Wortlaut:

„Arbeitsausfall infolge Krankheit

Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall”.

Wegen des weiteren Wortlauts des § 6 RTV wird auf den auszugsweise zu den Akten gereichten RTV (Bl. 9 ff. d. A.), verwiesen.

Bereits der Tarifvertrag für das Betonsteingewerbe vom 20.08.1975 enthielt eine dem § 6 Ziff. III RTV gleichlautende Bestimmung über den Arbeitsausfall infolge Krankheit.

In § 5 Abs. III des Rahmentarifvertrages vom 28.10.1958 hieß es unter Ziff. 1:

„Ist ein Arbeitnehmer infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit), so hat er, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 (BGBl. I, S. 649) vorliegen, gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung nach Maßgabe des vorgenannten Gesetzes”.

Der Kläger war in der Zeit vom 28.10. bis 31.11.1996 arbeitsunfähig erkrankt. Für diese Zeit kürzte die Beklagte seinen Lohn um 20 % und behielt einen Betrag von 960,40 DM brutto ein.

Mit der am 23.01.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Differenzbetrag von 960,40 DM brutto geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten:

§ 6 Ziff. III RTV verweise nicht auf die jeweilige gesetzliche Regelung, sondern beziehe sich auf das bei Abschluß des Tarifvertrages geltende Lohnfortzahlungsgesetz, welches die Fortzahlung des Arbeitsentgelts in voller Höhe und unter Berücksichtigung aller Zulagen sichere. Ein Verweis auf das Entgeltfortzahlungsgesetz komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses – abweichend vom Wortlaut des § 6 Ziff. III RTV – als „Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgeltes an Feiertagen und im Krankheitsfall” bezeichnet sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 960,40 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten,

§ 6 Ziff. III RTV enthalte lediglich einen deklaratorischen Verweis auf die gesetzliche Regelung mit der Folge, daß auf das Arbeitsverhältnis des Klägers das seit dem 01.10.1996 geänderte Entgeltfortzahlungsgesetz Anwendung finde.

Mit Urteil vom 11.04.1997 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und hat zur Begründung u.a. ausgeführt:

Die Bestimmung des § 6 Ziff. III RTV begründe hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall keinen eigenständigen tariflichen Anspruch. Es entspreche anerkannten – von der Rechtsprechung des BAG entwickelten – Auslegungsregeln, daß eine im Tarifvertrag enthaltene Verweisung auf eine gesetzliche Regelung diese in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nehme, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag ergebe, daß die Tarifvertragsparteien eine bestimmte gesetzliche Fassung als eigenständige, auch gegenüber künftigen gesetzlichen Änderungen bestandskräftige, Regelung vereinbaren wollten. Anhaltspunkte für einen solchen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien bestünden nicht. Der Wortlaut des § 6 Ziff. III RTV enthalte keine Beschränkung auf ein Gesetz in einer bestimmten Fassung. Auch die zwischenzeitliche Änderung der Bezeichnung des im Tarifvertrag in Bezug genommenen Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall lasse nicht den Schluß zu, die Bezugnahme betreffe das bei Abschluß des Tarifvertrages geltende Lohnfortzahlungsgesetz. Das geänderte Gesetz sei nämlich ...

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