Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 12.06.1997; Aktenzeichen 9 Ca 1285/97) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.06.1997 – 9 Ca 1285/97 – abgeändert.
Die Kläger werden mit der Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 1)–3) zu je 1/11 und der Klägerin zu 4) zu 8/11 auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 1.060,93 DM
Tatbestand
Die Kläger zu 1)–4) sind bei der Beklagten in deren Filiale in D. beschäftigt.
Auf die Arbeitsverhältnisse fand bis zum Jahre 1997 kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten sowie die Poliere des Baugewerbes vom 12.06.1978 i.d.F. vom 19.05.1992 (im folgenden RTV) Anwendung.
Die Parteien streiten über die Höhe des tarifvertraglich geregelten Entgeltfortzahlungsanspruchs der Kläger, und zwar hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen 80 % und 100 %.
§ 4 Ziff. 2.1 Absatz 1 bis 3 RTV hat folgenden Wortlaut:
„Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
Ist ein Angestellter infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit), ohne daß ihn ein Verschulden tritt, so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts bis zur Dauer von sechs Wochen.
Nach dreijähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit erhalten Angestellte, wenn sie infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind (Arbeitsunfähigkeit), von der 7. Woche an einen Zuschuß vom Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Zuschuß wird in Höhe des Betrages gewährt, der sich als Unterschied zwischen dem Nettogehalt und den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung ergibt. Ist der Angestellte nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, so ist das Krankengeld oder Hausgeld zugrunde zu legen, das er als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung als Höchststufe erhalten würde.
Nach siebenjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit wird der Zuschuß nach Absatz 2 bis zur Dauer von acht Wochen und nach zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit bis zur Dauer von zwölf Wochen gewährt.”
§ 4 Ziff. 3 Satz 1 1. Halbsatz RTV lautet:
„Bei Arbeitsverhinderung infolge eines Kur- oder Heilverfahrens hat auch der arbeitsfähige Angestellte Anspruch auf Gehaltsfortzahlung nach Nr. 2.1 Absatz 1.”
In der im Mai 1997 abgeschlossenen Tarifrunde für die Angestellten im Baugewerbe wurde der RTV hinsichtlich § 4 Ziff. 2 nicht abgeändert. Im Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer vom 09.06.1997 dagegen wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall dahingehend geändert, daß die Arbeiter für den 1.–3. Werktag eine lediglich 80 %ige Lohnfortzahlung erhalten, ab dem 4. Werktag entgegen der gesetzlichen Vorschrift des § 4 EFZG eine 100 %ige Lohnfortzahlung.
Mit der Klage haben die Kläger den Differenzbetrag geltend gemacht, und zwar der Kläger zu 1) für eine Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1996 in Höhe von 67,32 DM brutto,
die Klägerin zu 2) für die Zeit vom 10. bis 11.10.1996 in Höhe von 77,03 DM brutto,
die Klägerin zu 3) für den 05.11.1996 in Höhe von 43,14 DM brutto,
die Klägerin zu 4) für die Zeit vom 08. bis 29.11.1996 in Höhe von 873,44 DM brutto.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten,
§ 4 Ziff. 2.1 Abs. 1 i.V.m. § 4 Ziff. 3 RTV begründe einen Anspruch auf 100 %ige Fortzahlung des Gehalts.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- an den Kläger zu 1) 67,32 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 03.03.1997
- an die Klägerin zu 2) 77,03 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 03.03.1997
- an die Klägerin zu 3) 43,14 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 03.03.1997
- an die Klägerin zu 4) 873,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 17.03.1997
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Kläger mit der Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten,
der RTV enthalte keine konstitutive Bestimmung mit der Folge, daß die Kläger gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG n. F. lediglich einen Anspruch auf Fortzahlung von 80 % ihres Gehalts hätten.
Mit Urteil vom 12.06.1997 hat das Arbeitsgericht der Klage entsprochen und hat dies u.a. wie folgt begründet:
Es erscheine zweifelhaft, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die im weiten Umfang zu der Annahme deklaratorischer Regelungen komme, auf den Bereich der Entgeltfortzahlung übertragen werden könne. Denn die genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts beträfen tarifliche Regelungen, die zu Ungunsten der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Regelung abwichen. Vorliegend gehe es jedoch um die Frage, ob die Tarifverträge eine die Arbeitnehmer gegenüber dem Gesetz begünstigende Regelung enthielten. Dies könne jedoch dahinstehen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nämlich nach Auffassung der Kammer nicht überzeugend. Ebensowenig wie dem Gesetzgeber könne den Tarifpartnern unterstellt werden, sie wollten gar keine Regelung treffen, sondern von ihrer Regelungsbefugnis keinen Gebrauch machen. Gegen die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts spre...