Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzende Vertragsauslegung bei Auslaufen eines in Bezug genommenen Tarifvertrages zur Schließung einer Regelungslücke. Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unangemessene Benachteiligung bei Verstoß gegen das Transparenzgebot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Arbeitsverhältnis richtet sich insgesamt nach dem TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die "jeweils geltenden" Tarifbestimmungen verwiesen. Die Formulierung "Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag BAT", ist aber dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur, soweit im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich Abweichendes geregelt ist, an den genannten Tarifverträgen ausrichtet. Die in einem solchen Arbeitsvertrag durch die Abschaffung des BAT entstandene Regelungslücke ist dahingehend zu schließen, dass - bezogene auf den Fall der Klägerin - der TV-L im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen ist. Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts im Urteil vom 31.07.2014 - 15 Sa 1132/13 - wurde durch das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 20.10.2017 ausdrücklich bestätigt (BAG 20.10.2017 - 2 AZR 785/16 (F) -).
2. Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 01.01.1992 handelt es sich schon nach dem äußeren Erscheinungsbild um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB (vgl. BAG 17.08.2011 - 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 mwN.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 16.04.2015 - 6 AZR 352/14 -; 03.09.2014 - 5 AZR 109/13, EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 31; 26.09.2012 - 10 AZR 412/11, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; 10.12.2008 - 10 AZR 1/08, AP Nr. 40 zu § 307 BGB; 24.10.2007 - 10 AZR 825/06, AP BGB § 307 Nr. 32).
3. Widersprüchliche Klauseln sind nicht klar und verständlich iSd. Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 10.12.2008 - 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576; 30.07.2008 - 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185; 24.10.2007 - 10 AZR 825/06, AP Nr. 32 zu § 307 BGB).
Normenkette
BAT § 47 Abs. 2; TV-L § 20 Abs. 1-2; TV Zuwendung §§ 1, 2 Abs. 1; BGB § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.05.2011; Aktenzeichen 8 Ca 6870/10) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.05.2011 - 8 Ca 6871/10 - im Übrigen wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Zahlung einer Sonderzuwendung vor dem Hintergrund einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung der Beklagten.
Die beklagte Hellenische Republik betreibt in E. eine Ergänzungsschule. An dieser ist die Klägerin seit 1992 als Lehrerin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 01.01.1992 heißt es auszugsweise:
"1. Frau O. G. wird ihre Tätigkeit im Schuljahr 1991-1992 an der Schule E. fortsetzen mit 22 Stunden wöchentlich im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag BAT.
[…]
3. Die Regelung d...