Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Abgeltungsanspruch. Arbeitsentgelt. Masseforderung
Leitsatz (amtlich)
1) Sieht ein Sozialplan vor, dass zur Kompensation eingetretener Vergütungsminderungen außertarifliche Aufstockungsbeiträge gezahlt werden sollen, so handelt es sich um beitragspflichtiges Entgelt i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB NR. 4. Daran ändert sich nichts, wenn die noch nicht ausgezahlten monatlich fälligen Aufstockungsbeträge in Form einer Einmalzahlung abgegolten werden.
2) Beziehen sich die noch offenen Aufstockungsbeträge – und damit auch die Einmalzahlung – auf die Zeit nach Insolvenzeröffnung, handelt es sich um Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.
Normenkette
SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1; InsO § 55
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 06.06.2006; Aktenzeichen 1 Ca 4144/05) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.06.2006 – 1 Ca 4144/05 – und kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.
Der am 02.05.1948 geborene Kläger war seit dem 01.10.1965 im L-er Werk der Firma V. Bestfoods Deutschland GmbH (im Folgenden: VBFD) beschäftigt. Das Werk wurde mit Wirkung zum 01.01.2002 von der Firma D. T. Lebensmittelwerke GmbH (im Folgenden: D.), der späteren Insolvenzschuldnerin, übernommen. Die VBFD und die D. einerseits sowie der Gesamtbetriebsrat der VBFD und der Betriebsrat der D. andererseits schlossen unter dem 15.02.2002 eine „Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan anlässlich der mit dem Verkauf des Werkes L. verbundenen Reorganisationsmaßnahmen” (vgl. hierzu Bl. 21 ff. d. A.).
In der Betriebsvereinbarung heißt es unter anderem wie folgt:
2.2.1 Absenkung des Gesamtentgeltes
Entsprechend Ziffer 1. des Anhanges zum Betriebskaufvertrag werden auf der Grundlage eines noch abzuschließenden Tarifvertrages zukünftig nur noch 13 Monatsentgelte gezahlt zuzüglich eines Urlaubsgeldes entsprechend den derzeit geltenden manteltarifvertraglichen Urlaubsgeldbestimmungen (d. h. höchstens 900,– DM für die unter den MTV der Nahrungsfette-Industrie fallenden Mitarbeiter sowie höchstens 535,– DM für die unter den MTV der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie fallenden Mitarbeiter).
Die Regelungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Nahrungsfette-Industrie und des MTV der Obst- und Gemüse verarbeitenden Industrie bleiben auch im Übrigen bestehen. Die vermögenswirksamen Leistungen werden in der bisherigen Höhe weitergezahlt.
Darüber hinaus erfolgt gemäß Ziffer 2. des Anhanges zum Betriebskaufvertrag eine Absenkung der Gesamtentgelte (Tarifentgelt nebst regelmäßig gewährten Zulagen) um 20 %.
2.2.2 Kompensation der Absenkung des monatlichen Gesamtentgeltes um 20 %
Das um 20 % abgesenkte Gesamtentgelt wird nach der folgenden zeitlichen Staffel durch außertarifliche Zulagen auf das unten angegebene Niveau aufgestockt. Diese Kompensationsleistungen erfolgen aus einem zu etwa drei Viertel von VBFD sowie zu einem Viertel vom Investor gespeisten Fonds.
01.01.02 – 31.03.02: |
100,0 % |
des bisherigen Monatsentgeltes, |
01.04.02 – 31.03.03: |
93,5 % |
des bisherigen Monatsentgeltes, |
01.04.03 – 31.03.04: |
94,5 % |
des bisherigen Monatsentgeltes, |
01.04.04 – 31.03.05: |
95,5 % |
des bisherigen Monatsentgeltes, |
01.04.05 – 31.03.06: |
97,0 % |
des bisherigen Monatsentgeltes, |
ab 01.04.06: |
100,0 % |
des bisherigen Monatsentgeltes. |
…
2.2.3 Ermittlung des individuellen Mindestanspruchs auf Verdienstschutz der Mitarbeiter
Es wird ein individueller Mindestanspruch auf Verdienstschutz wie folgt ermittelt:
- Es erfolgt ein Ausgleich von 2,5 Monatsbruttoentgeltdifferenzen pro vollendetem Jahr der Konzernzugehörigkeit, mindestens jedoch von 24 Monaten und höchstens von 60 Monaten. Nur wenn die Konzernzugehörigkeit 24 Dienstjahre übersteigt, werden bis zu 66 Monatsbruttoentgeltdifferenzen ausgeglichen.
- Der Entgeltdifferenzausgleich wird auf den individuellen Abfindungsanspruch im Falle des Ausscheidens entsprechend Ziffer 6.3 dieses Sozialplans begrenzt.
Die Finanzierung des Verdienstschutzes sollte gemäß Ziffer 2.2.5 der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 durch ein so genanntes Fondsmodell erfolgen. Insoweit heißt es in der genannten Betriebsvereinbarung:
VBFD leistet durch eine einmalige Zahlung an den Investor in Höhe von 7,72 Mio. Euro den wesentlichen Anteil an der Finanzierung dieser Verpflichtungen des Investors. Mit diesem Betrag werden alle individuellen Mindestansprüche auf Verdienstschutz nach Ziffer 2.2.3 der 252 namentlich unter „D. T.” im Anhang zum Interessenausgleich genannten Mitarbeiter, die nicht für eine Vorpensionierung vorgesehen sind, sowie die Ansprüche der im Anhang zum Interessenausgleich namentlich genannten befristeten Mitarbeiter und Azubis auf Verdienstschutz bis zum Auslaufen ihrer Verträge finanziell hinreichend abgedeckt.
Für den Fall des vorzei...