Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der tariflichen Kündigungsfrist von einem Tag in der Probezeit
Leitsatz (amtlich)
Die eintägige Kündigungsfrist gemäß § 14 Nr. 1 Abs. 2 MTV-Arb Druckindustrie gewährleistet weder den gesetzlichen Mindeststandard des Kündigungsschutzes, noch ist die Ungleichbehandlung der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber den Angestellten, denen tariflich in der Probezeit nur mit einmonatiger Frist zum Monatsende gekündigt werden kann, aus Sachgründen, namentlich dem Erprobungszweck, gerechtfertigt. Die Kündigungsfristregelung ist daher verfassungswidrig und nichtig.
Normenkette
GG Art. 2, 3 Abs. 1; BGB §§ 620, 622
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 03.05.1996; Aktenzeichen 4 Ca 371/96) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 03.05.1996 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten anläßlich einer Klage auf Verzugslohn und Urlaubsabgeltung über die maßgebende Länge der Kündigungsfrist.
Gemäß Arbeitsvertrag vom 16.01.1996 stellte der Beklagte, der eine Buch- und Offsetdruckerei betreibt, den Kläger zum 01.02.1996 als Drucker ein. Der Arbeitsvertrag der beiderseits tarifgebundenen Parteien bestimmt, soweit hier von Interesse, folgendes:
§ 3
Die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit, während der das Arbeitsverhältnis nach den tarifvertraglichen Vorschriften gekündigt werden kann.
§ 7
Im übrigen unterliegt das Arbeitsverhältnis den Vorschriften der jeweils geltenden Tarifverträge für die Druckindustrie (Lohntarifvertrag und Manteltarifvertrag für die Druckindustrie/Bundesgebiet).
Am 05.02.1996 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 06.02.1996.
Mit der im März 1996 vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Lohns für den Zeitraum vom 07.02. bis 23.02.1996 sowie auf Abgeltung von drei Urlaubstagen in Anspruch genommen. Er vertritt die Auffassung, daß die Kündigung vom 05.02.1996 das Arbeitsverhältnis mit der Frist nach § 14 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend: MTV-Arb Druckindustrie) erst zum 23.02.1996 aufgelöst habe. Nach § 10 MTV-Arb Druckindustrie stehe ihm 1/12 des Jahresurlaubs zu; ein angefangener Kalendermonat werde als voller Kalendermonat gerechnet, wenn der Arbeitnehmer zu mehr als der Hälfte der Arbeitstage dieses Kalendermonats gearbeitet habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn DM 4.478,67 brutto abzüglich DM 486,– netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 05.03.1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Kündigung gemäß § 14 Nr. 1 MTV-Arb Druckindustrie für fristgerecht. Daher stehe dem Kläger weder Verzugslohn noch Urlaubsabgeltung zu.
Durch Urteil vom 03.05.1996 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von DM 4.322,42 brutto abzüglich gezahlter DM 486,– netto stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Beklagte das Urteil in rechtlicher Hinsicht an. Er begehrt, daß die Klage insgesamt abgewiesen werde.
Die Parteien ergänzen ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen und tragen kontrovers zur Entstehungsgeschichte des § 14 Nr. 1 Abs. 2 MTV-Arb Druckindustrie vor.
Das Gericht hat die Parteien fernmündlich am 30.08.1996 darauf hingewiesen, daß § 14 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 MTV-Arb Druckindustrie im Hinblick auf die für Angestellte während der Probezeit geltende längere Kündigungsfrist gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen könnte, und sie aufgefordert, bei den Tarifvertragsparteien den Grund für die unterschiedlichen Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten zu erfragen. Der Beklagte hat daraufhin in der Verhandlung vor der Kammer auf ein Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15.11.1994 (7 Sa 1514/93) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat erkannt, daß die Kündigung des Beklagten vom 05.02.1996 das Arbeitsverhältnis nicht zum 06.02.1996, sondern erst zum 23.02.1996 aufgelöst hat, und den Beklagten zur Zahlung des Lohns bis zu diesem Zeitpunkt und der Abgeltung von 2,5 Urlaubstagen verurteilt. Soweit das Arbeitsgericht aus der längeren Kündigungsfrist einen Anspruch auf Vergütung und Urlaubsabgeltung abgeleitet und diesen in Höhe des ausgeurteilten Betrages berechnet hat, wird das Urteil vom Beklagten nicht angefochten. Daher erübrigen sich hierzu Ausführungen der Kammer, die insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug nimmt (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Der Beklagte greift die Auffassung des Arbeitsgerichts an, daß § 14 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 MTV-Arb Druckindustr...