Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Schuldnerverzug. Ersatz eines Steuerschadens
Leitsatz (amtlich)
1. Nach den Regelungen des Bochumer Verbandes wird dem Arbeitgeber ebenso wie nach § 16 BetrAVG ein Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Anpassung des Ruhegeldes eingeräumt. § 315 Abs. 3 BGB findet daher entsprechende Anwendung (im Anschluss an BAG, AP Nr. 57 zu § 16 BetrAVG).
2. Bei der Leistungsbestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 BGB wird die Forderung erst mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig (im Anschluss an BGH, NJW 2006, S. 2472). Das gilt jedoch nicht, wenn die Parteien eine Rückwirkung der Leistungsbestimmung vereinbart haben (im Anschluss an BGH, NJW-RR 2003, S. 1355, 1358).
3. Nach den Regelungen des Bochumer Verbandes erfolgt die Anpassungsprüfung und -entscheidung ebenso wie nach § 16 BetrAVG alle drei Jahre. Konkludent ist damit durch die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung nach den Regelungen des Bochumer Verbandes auch vereinbart, dass die Anpassungsbeträge dann fällig sind, wenn die jeweilige Leistung fällig ist. Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bedarf es keiner Mahnung zur Herbeiführung des Schuldnerverzuges hinsichtlich der erhöhten Leistungen.
Normenkette
BetrAVG § 16; BGB § 315 Abs. 2; Leistungsordnung Bochumer Verband § 20; BGB §§ 315, 280 Abs. 2, § 286
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 6 Ca 4038/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 07.06.2006 – 6 Ca 4038/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin einen durch eine Ruhegeldnachzahlung möglicherweise entstehenden Steuerschaden zu ersetzen hat.
Der Ehemann der Klägerin war außertariflicher Angestellter bei der Beklagten.
Er war Mitglied des Verbandes der Führungskräfte e. V.. Nach seiner Pensionierung bezog er eine Betriebsrente nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes, dem die Beklagte als Mitglied angehört. Seit seinem Tode am 24.01.2000 leistet die Beklagte der Klägerin eine Witwenrente.
Mit Wirkung vom 01.01.1985 wurde die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes (LO) geändert. § 20 LO 1985 lautet:
„Anpassung der laufenden Leistungen
Die laufenden Leistungen werden vom Verband unter Berücksichtigung der Belange der Leistungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitglieder überprüft und ggf. nach billigem Ermessen angepasst.”
Beginnend ab dem 01.01.1985 beschließt der Vorstand des Bochumer Verbandes alle drei Jahre über die Erhöhung der laufenden Betriebsrenten.
Gemäß Beschluss des Bochumer Verbandes erhöhte die Beklagte die Betriebsrente des Ehemanns der Klägerin zum 01.01.1997 um 2 % und zum 01.01.2000 um 1,2 %. Die Summe des Kaufkraftverlustes im Anpassungszeitraum bis zum 01.01.1997 betrug 5,6 % und im Anpassungszeitraum bis zum 01.01.2000 3,44 %.
Mit einem am 12.09.2005 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin die nachträgliche Anpassung des Ruhegeldes zum 01.01.1997 um 5,6 % und zum 01.01.2000 um 3,44 % verlangt und auf dieser Basis Zahlungsansprüche in Höhe von 6.761,82 EUR für die Zeit vom 01.01.1997 bis 30.09.2005 geltend gemacht. Am 31.01.2006 hat die Beklagte 6.559,25 EUR brutto zusammen mit den laufenden Leistungen für Februar 2006 nachgezahlt. An Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Kranken- und Pflegeversicherung wurden 3.145,67 EUR einbehalten.
Weil der Bochumer Verband bei der Abrechnung das sog. Fünftelungsprinzip nach § 34 EStG nicht beachtet hat, wurde später eine neue Abrechnung erteilt. Danach wurde ein Betrag von 1.256,71 EUR für Steuern einbehalten. Im der Nachzahlung vorangegangenen Monat waren für Steuern und Versicherungsbeiträge lediglich 203,52 EUR abgeführt worden.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte zum Schadensersatz dem Grunde nach verpflichtet ist, soweit die Klägerin für die Nachzahlung von 6.959,25 EUR brutto höhere Steuern schuldet als bei Anpassung des Ruhegeldes um 5,6 % zum Fälligkeitstermin am 01.01.1997 und um 3,44 % zum Fälligkeitstermin am 01.01.2000.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Essen hat der Klage durch Urteil vom 07.06.2006, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, stattgegeben.
Gegen das ihr am 27.07.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 23.08.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.10.2006 – mit einem am 17.10.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 07.06.2006 – 6 Ca 4038/05 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genomm...