Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenständiges Fristenregime zum Verfall des tariflichen Urlaubs im Manteltarifvertrag der Süßwarenindustrie

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblicher Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie in der Fassung vom 01.02.2005 enthält ein eigenständiges, vom BUrlG abweichendes Fristenregime, nach dem der tarifliche Urlaub auch bei fortbestehender Krankheit drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

 

Normenkette

RL 2003/88/EG Art. 7 Fassung: 2003-11-04; BMTV Süßwarenindustrie § 12 Abschn. IV Nr. 3 Fassung: 2015-02-01; BUrlG § 7 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Entscheidung vom 25.04.2018; Aktenzeichen 3 Ca 1944/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.08.2020; Aktenzeichen 9 AZR 214/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 25.04.2018, 3 Ca 1944/17, wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Abgeltungsanspruch des Klägers für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden tariflichen Urlaub von 10 Tagen aus dem Jahr 2016.

Der Kläger ist seit dem 01.12.1983 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach Ziffer 5. des Arbeitsvertrages vom 29.11.1984 die Tarifverträge der Süßwarenindustrie Anwendung.

§ 12 des Bundesmanteltarifvertrages für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie in der Fassung vom 01.02.2005 (im Folgenden: BMTV) enthält umfangreiche Regelungen bezüglich des zu gewährenden Urlaubs einschließlich Regelungen über das Urlaubsgeld und die zu zahlende Urlaubsvergütung. Gemäß § 12 I. A Nr. 9 BMTV beträgt die Dauer des Urlaubs 30 Tage.

Der erste Absatz von § 12 BMTV lautet wie folgt:

"Den Arbeitnehmern steht in jedem Urlaubsjahr ein Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen zu. Sie gelten, soweit nicht in gesetzlichen Vorschriften zwingend andere Regelungen enthalten sind."

§ 12 IV. Nr. 3 BMTV lautet:

"Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März des folgenden Kalenderjahres, sofern er nicht vorher vergeblich geltend gemacht worden ist."

Wegen der Urlaubsregelungen in § 12 BMTV im Einzelnen wird auf Bl. 32R bis Bl. 33 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger war in der Zeit vom 19.01.2016 bis zum 02.06.2017 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Urlaubsantrag vom 09.06.2017 hat der Kläger für die Zeit vom 19.06. bis einschließlich 18.07.2017 (22 Tage) Urlaub beantragt, der antragsgemäß genehmigt wurde. Mit einem weiteren Urlaubsantrag vom 01.08.2017 beantragte der Kläger für die Zeit vom 14.08. bis 25.08.2017 (10 Tage) Urlaub mit dem Vermerk, dass noch 8 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2016 bestünden. Dieser Urlaub wurde ebenfalls genehmigt. Allerdings wies die Beklagte den Kläger mit Email vom 28.08.2017 darauf hin, dass ihm von 2016 20 Urlaubstage gesetzlicher Mindestanspruch über den 31.03.2017 hinaus verblieben sei. Die 10 Tage tariflicher Mehrurlaub seien zum 31.03.2017 verfallen.

Mit Schreiben vom 15.09.2017 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihm zu bestätigen, dass ihm für das Jahr 2016 der volle Resturlaubsanspruch zustehe. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein tariflicher Mehrurlaub aus dem Jahr 2016 sei nicht verfallen, denn Voraussetzung für einen entsprechenden Verfall sei ein eigenständiges Urlaubsregime im Tarifvertrag, das vorliegend nicht gegeben sei. In § 12 BMTV sei keine vollständig andere vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelung getroffen worden, so dass nicht von einem vom Gesetzesrecht abgelösten tariflichen Urlaubsregelwerk ausgegangen werden könne.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

festzustellen, dass er für das Jahr 2016 noch einen Resturlaubsanspruch in Höhe von 10 Tagen hat.

Nach einem Hinweis des Gerichts hat er sodann beantragt,

festzustellen, dass ihm zur Zeit ein Urlaubsanspruch von 16 Tagen zusteht;

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 1.626,40 € brutto zu zahlen;

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes 10 weitere Urlaubstage im Jahr 2018 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten in § 12 des BMTV über den übergesetzlichen Urlaub eigenständige Regelungen zum Verfall getroffen mit der Konsequenz, dass der übergesetzliche Urlaub von 10 Tagen aus dem Jahr 2016 nach Ablauf des 31.03.2017 trotz der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Erkrankung des Klägers verfallen sei. Bereits aus dem Eingangssatz des § 12 BMTV, demzufolge den Arbeitnehmern der Urlaub "nach Maßgabe der nachstehenden Tarifbestimmungen" zustehe, ergebe sich, dass ein in sich geschlossenes und vom Gesetzesrecht abweichendes Urlaubsregime habe geschaffen werden sollen. Darüber hinaus stelle die Regelung ...

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