Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der arbeitsvertraglich vereinbarten Geltung von näher konkretisierten Tarifverträgen "soweit sie für den Arbeitgeber verbindlich sind"

 

Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Arbeitsvertrag die Geltung von näher konkretisierten Tarifverträgen mit der Einschränkung "soweit sie für den Arbeitgeber verbindlich sind" vereinbart, handelt es sich auch nach den seit dem 01.01.2002 geltenden Beurteilungsmaßstäben um eine Gleichstellungsabrede.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.08.2016; Aktenzeichen 2 Ca 2485/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2016, Az.: 2 Ca 2485/16 abgeändert und die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche, die von der Frage abhängen, ob die Beklagte verpflichtet ist, Tariflohnerhöhungen für Mitarbeiter des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen an die Klägerin weiterzugeben.

Die Beklagte betreibt E.-G.-Shops an Flughäfen.

Die am 01.09.1961 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 15.10.1993 beschäftigt. Die Einzelheiten dieser Beschäftigung regelt der Anstellungsvertrag mit der Firma "Gebr. I." vom 19.10./26.10.1993 (Blatt 67 - 71 GA). Soweit hier von Interesse enthält dieser Anstellungsvertrag unter anderem die folgenden Regelungen:

"1.Der Mitarbeiter wird ab dem 15.10.93 für I. als Verkäuferin/Kassiererin ... tätig.

[...]

3.Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel - soweit sie für I. verbindlich sind - sowie etwaige Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

[...]

6.Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe II, Stufe 3.-5. Tätigkeitsj. des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft (Tarifgehalt derzeit DM 2.957,--). Die Vergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) wird monatlich nachträglich auf ein vom Mitarbeiter einzurichtendes Konto gezahlt."

Der bei Vertragsbeginn am 15.10.1993 noch geltende Gehaltstarifvertrag zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Gewerkschaft Handel, Bank und Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten - Gewerkschaft vom 21.06.1991 (im Folgenden GTV 1992) enthielt in § 3 (Beschäftigungsgruppen) unter lit. B. folgende Regelungen:

"...

Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit

Beispiele: Verkäufer

Kassierer mit einfacher Tätigkeit

...

...

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordern.

Beispiele:Erste Verkäufer

...

Kassierer mit gehobener Tätigkeit

...

...

3. bis 5. Jahr der TätigkeitDM 2.706,00

..."

Am 27.04./08.05.2006 trafen die Parteien unter der Überschrift "Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 19. Oktober 1993" folgende Vereinbarungen (Blatt 99 f. GA):

"1.Ab dem 15. Mai 2006 reduzieren wir Ihre monatliche Arbeitszeit von derzeit 163,0 Stunden (ab 01. Juli 2005 beträgt die monatliche Arbeitszeit 173,0) auf 120,0 Stunden (ab 01. Juli 2005 beträgt die reduzierte Arbeitszeit 127,36 Stunden).

2.Analog zu Ihrer neuen monatlichen Arbeitszeit kürzen sich Ihre monatlichen Bezüge wie folgt:

Tarifgehalt G II. nach dem 5. Tätigkeitsjahr€ 1.171,55

Essensgeld brutto€ 15,83

Mankogeld€ 11,78

gesamt€ 1.745,16

========

3.Entsprechend Ihrer monatlichen Arbeitszeit kürzen wir das Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld und Ihren Urlaubsanspruch.

4.Alle übrigen Punkte behalten weiterhin ihre Gültigkeit."

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma Gebr. I. SE & Co. KG, trat zum 31.12.2011 aus dem Arbeitgeberverband "Rheinischer Einzelhandels- und Dienstleistungsverband" aus. Dennoch gab sie die zum 01.07.2012 im Gehaltstarifvertrag zwischen dem Handelsverband Nordrhein-Westfalen und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di (im Folgenden GTV) vom 29.06.2011 vorgesehene Erhöhung der Vergütung in der Gehaltsgruppe II nach dem 5. Tätigkeitsjahr von monatlich 2.589,00 € brutto auf monatlich 2.641,00 € brutto an die Klägerin weiter.

Seitdem erhält die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1944,29 € brutto (Tarifentgelt ab 01.07.2012 in der Gehaltsgruppe II nach dem fünften Tätigkeitsjahr: 2641,00 € * 120 Stunden : 163 Stunden = 1.944,29 €) zuzüglich einer Reinigungspauschale, vermögenswirksamen Leistungen, sowie Essensgeld.

Am 01.01.2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden, es besteht lediglich eine OT - Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Rheinischer Einzelhandels- und Dienstleistungsverband.

Der zwischen dem Handelsverband Nordrhein-Westfalen und ver.di vereinbarte GTV vom 10.12.2013 beinhaltete zum 01.08.2013 eine 3%ige Entgelterhöhung in der Gehaltsgruppe II auf monatlich 2.720,00 € brutto und zum 01.05.2014 eine 2,1%ige Erhöhung der Vergütung auf monatlich 2.777,00 € brutto. Eine weitere 2,5%ige Tariferhöhung erfolgte ab d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge