Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Verweisungsklausel in einem Arbeitsvertrag nach Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband
Leitsatz (redaktionell)
Die im Arbeitsvertrag einer Kassiererin im Einzelhandel in Bezug genommenen Tarifverträge des Einzelhandels NRW gelten nach Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband nur noch statisch fort mit der Folge, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt als die ursprünglich arbeitsvertraglich geregelte Vergütung hat.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2; GTV Einzelhandel NRW Fassung: 2011-06-29
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.08.2016; Aktenzeichen 1 Ca 678/16) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.08.2016 (1 Ca 678/16) wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Vergütungsansprüche.
Die Beklagte betreibt E.-G.-Shops an Flughäfen. Die am 06.08.1969 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Firma Gebr. I., beschäftigt. In dem Anstellungsvertrag vom 10.07.1992 finden sich unter anderem die folgenden Regelungen:
"1. Der Mitarbeiter wird ab dem 01.10.92 für I. als Verkäuferin/Kassiererin tätig.
...
3. Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel - soweit sie für I. verbindlich sind - sowie etwaige Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.
...
6. Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe G II, Stufe 1.+2. J. d. T. des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft (Tarifgehalt derzeit DM 2.559,--). Die Vergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) wird monatlich nachträglich auf ein vom Mitarbeiter einzurichtendes Konto gezahlt."
(Die kursiv hervorgehobenen Textteile entsprechen den maschinenschriftlich eingetragenen Angaben in das verwendete Vertragsformular.) Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage K 1, Blatt 69 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.
Der bei Vertragsbeginn am 01.10.1992 noch geltende Gehaltstarifvertrag zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Gewerkschaft Handel, Bank und Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten - Gewerkschaft vom 21.06.1991 (im Folgenden GTV 1991) enthielt in § 3 (Beschäftigungsgruppen) unter B. folgende Regelungen:
"... Gehaltsgruppe I
Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit
Beispiele: Verkäufer
Kassierer mit einfacher Tätigkeit
...
Gehaltsgruppe II
Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordern.
Beispiele:Erste Verkäufer
...
Kassierer mit gehobener Tätigkeit
..."
Unter dem 07.01.2002 trafen die Parteien unter der Überschrift "Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 10. Juli 1992" die folgende schriftliche Vereinbarung (Blatt 89 f. der Gerichtsakte):
"1.In der Zeit vom 01.Januar 2002 bis zum 31. März 2002 reduzieren wir Ihre monatliche Arbeitszeit von derzeit 163,0 Stunden auf 120,0 Stunden. Rechtzeitig vor Ablauf der drei Monate werden wir in einem gemeinsamen Gespräch darüber entscheiden, ob sie für einen weiteren Monat 120,0 Stunden arbeiten werden.
2. Analog zu Ihrer neuen monatlichen Arbeitszeit kürzen sich Ihre monatlichen Bezüge wie folgt:
Tarifgehalt G II. nach dem 5. Tätigkeitsjahr € 1.610,80
Positionszulage € 56,69
Essensgeld brutto € 15,83
Mankogeld € 11,78
gesamt € 1.695,10
========
3.Entsprechend Ihrer monatlichen Arbeitszeit kürzen wir das Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld und Ihren Urlaubsanspruch.
4.Alle übrigen Punkte behalten weiterhin ihre Gültigkeit."
Nach einer zwischenzeitlichen Tätigkeitsänderung schlossen die Parteien unter dem 07.11.2005 für die Zeit ab dem 01.11.2005 eine schriftliche Vereinbarung über den weiteren Einsatz als Verkäuferin/Kassiererin mit einer monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden (Blatt 91 f. der Gerichtsakte):
"Aufgrund der Funktionsänderung setzt sich ihr Entgelt wie folgt zusammen:
Tarifgehalt G II. nach dem 5. Tätigkeitsjahr € 1.717,55
Essensgeld brutto € 15,83
Mankogeld € 11,78
gesamt € 1.745,16
========
...
Alle übrigen Punkte Ihres Dienstvertrages bleiben bestehen."
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten trat mit Ablauf des 31.12.2011 aus dem Arbeitgeberverband "Rheinischer Einzelhandels- und Dienstleistungsverband" aus. Die zum 01.07.2012 im Gehaltstarifvertrag zwischen dem Handelsverband Nordrhein-Westfalen und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di (im Folgenden GTV) vom 29.06.2011 vorgesehene Erhöhung der Vergütung in der Gehaltsgruppe II nach dem 5. Tätigkeitsjahr gab sie noch an die Klägerin weiter. Seitdem erhält die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1944,29 € brutto (Tarifentgelt ab 01.07.2012 in der Gehaltsgruppe II nach dem fünften Tätigkeitsjahr: 2641,- € * 120 Stunden : 163 Stunden = 1944,29 €) zuzüglich einer Reinigungspauschale, vermögenswirksamen Leistungen, sowie Essensgeld.
Am 01.01.2013 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergang...