Zulassung: Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltung von Überstunden bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein (vertraglich) vorgesehener Überstundenausgleich durch Freistellung von der Arbeit ist grundsätzlich auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit möglich (vgl. u.a. BAG vom 21.08.1991 – 5 AZR 91/91 –). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei Dienstplanerstellung im Schichtbetrieb die Zeiten der Arbeitsbefreiung schon vor der Erkrankung des Arbeitnehmers festgelegt und bekanntgegeben worden waren.
2. Ist zum Zeitpunkt der Dienstplanerstellung erkennbar, dass der Arbeitnehmer im vorgesehenen Zeitraum des Freizeitausgleichs weiterhin arbeitsunfähig krank sein wird, ist der Freizeitausgleich nachzugewähren oder gegebenenfalls abzugelten.
Normenkette
BGB §§ 611, 616
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 16.01.2006; Aktenzeichen 2 Ca 7220/05) |
Tenor
1.Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom16.01.2006 – 2 Ca 7220/05 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 974,91 EUR (brutto) nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 84 % die Beklagte, zu 16 % die Klägerin.
4.Streitwert: unverändert (1.158,45 EUR)
5.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Überstunden.
Bei der Beklagten mit Sitz in G. handelt es sich um ein Catering-Unternehmen, das sich u. a. mit der Verpflegung in Alten-/Seniorenheimen befasst. Es unterhält verschiedene Betriebsstätten, darunter eine in E. mit ca. 30 Arbeitnehmern. Die am 08.12.1950 geborene Klägerin, zur Zeit 55 Jahre alt, ist dort seit dem 03.09.2002 nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 15.10.2002 als Stationshilfe in einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit vereinbarungsgemäß durchschnittlich 19,25 Stunden pro Woche beschäftigt. Ihr monatliches Gehalt beläuft sich auf 653,43 EUR brutto. Sie ist im Schichtdienst eingesetzt und ihre Arbeitszeiten richten sich nach einem jeweils in der Monatsmitte für den Folgemonat erstellten Dienstplan. In § 3 Ziffer 4 des Arbeitsvertrags heißt es:
Dienstfrei bleiben die sich aus dem jeweiligen gültigen Dienstplan ergebenden Wochentage.
…
Angeordnete Überstunden können nach Entscheidung des Arbeitgebers bezahlt oder durch Freizeit abgegolten werden.
In den Jahren 2003 und 2004 wuchsen die per Saldo errechneten Überstunden der Klägerin zum Stichtag 31.12.2004 auf insgesamt 126,95 Stunden an. Unter dem 15./16.12.2004 erstellte die Beklagte den Dienstplan für den Monat Januar 2005. Er sah einen rechnerischen Überstundensaldo der Klägerin von zunächst 147,95 Stunden vor.
Gemäß Attest vom 03.01.2005 war die Klägerin ab diesem Tag bis 07.01.2005 arbeitsunfähig krank, gemäß Folgeattest vom 06.01.2005 sodann weiterhin bis 14.01.2005.
Mitte Januar 2005 erstellte die Beklagte den Dienstplan für den Monat Februar 2005. Er sah einen Teilabbau der Überstunden der Klägerin durch Freizeitausgleich in dem Zeitraum 16.02.2005 bis 28.02.2005 vor, und zwar von rechnerisch 169,23 Überstunden zum Stichtag 31.01.2005 auf 124,51 Überstunden zum Stichstag 28.02.2005.
Am 17.01.2005 übersandte die Klägerin eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 14.01.2005 bis 21.01.2005, am 24.01.2005 erneut für den Zeitraum 21.01.2005 bis 28.01.2005 und Ende Januar 2005 für den nachfolgenden Zeitraum bis 15.02.2005.
Mitte Februar 2005 erstellte die Beklagte den Dienstplan für den Monat März 2005. Sie stellte die Klägerin für diesen Monat durchgehend von der Arbeit frei und reduzierte dadurch deren Überstunden/Freizeitguthaben von 124,51 Stunden auf rechnerisch 41,51 Stunden zum Stichtag 31.03.2005. Gleichermaßen verfuhr sie Mitte März 2005 für den Monat April 2005, so dass sich für die Klägerin zum Stichtag 30.04.2005 ein rechnerischer Saldo von 41,49 Minusstunden ergab. Die Klägerin war während dieser Zeit seit dem 03.01.2005 durchgehend arbeitsunfähig krank. Ihre arbeitsunfähige Erkrankung dauert derzeit an.
Mit Schreiben vom 02.08.2005 beanspruchte die Klägerin vergeblich die Auszahlung von Überstunden. Mit der am 14.10.2005 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage macht sie unter Zugrundelegung von 147,95 Überstunden zum Stichtag 31.01.2005 die Zahlung von insgesamt
(147,95 Std. × 7,83 EUR brutto =) 1.158,45 EUR brutto geltend. Hierzu hat sie vorgetragen:
Sie habe einen Anspruch auf Auszahlung dieser Überstunden. Zwar stehe der Beklagten nach § 3 Ziffer 4 des Arbeitsvertrags ein Wahlrecht auf Abgeltung durch Freizeit oder durch Zahlung zu. Dieses Wahlrecht sei infolge des stetigen Aufbaus der Überstunden jedoch auf die Klägerin übergegangen. Diese Überstunden seien auch nicht durch die Freistellungen in den Dienstplänen für die Monate Februar, März und April 2005 abgegolten. Zum Zei...