keine Angaben zur Anfechtbarkeit
Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung. Erfüllung. Freizeitguthaben. Insolvenz. Insolvenzforderung. Betriebsübergang. Abgeltung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Freistellung aus der Umwandlung von Vergütung in Freizeit oder zum Ausgleich von Überstunden (Freizeitguthaben) wird nach Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung, die nach § 45 InsO mit ihrem Wert geltend zu machen ist. Eine Erfüllung durch Freistellung kann nicht mehr verlangt werden.
2. Für diesen auf Abgeltung gerichteten Anspruch haftet ein Betriebsveräußerer gem. § 613 a Abs. 2 BGB soweit der Freizeitanspruch bei ihm begründet wurde und der Abgeltungsanspruch mit der Insolvenzeröffnung innerhalb eines Jahres nach der Betriebsveräußerung fällig wurde.
Normenkette
BGB § 613a; InsO § 45
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Urteil vom 15.08.2007; Aktenzeichen 3 Ca 132/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Hanau vom 15. August 2007 – 3 Ca 132/06 abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 671,88 EUR (in Worten: Sechshunderteinundsiebzig und 88/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Kosten der 1. Instanz hat die Klägerin zu 57 % zu tragen, der Beklagte zu 43 %. Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Freizeit und Überstunden.
Die Klägerin trat zum 01. Januar 1987 in die Dienste der Beklagten. Zwischen den Parteien war die Anwendung der „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes” (AVR) vereinbart. In deren Anlage 6 ist u.a. geregelt:
„§ 3 Abgeltung von Überstunden
(1) Die vom Mitarbeiter geleisteten Überstunden sind grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung bis zum nächsten Kalendermonats auszugleichen; im begründeten Einzelfall kann die Frist für den Ausgleich im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter verlängert werden.
….
(2) Ist ein Ausgleich der Überstunden durch entsprechende Arbeitsbefreiung nach Abs. 1 nicht oder nicht in vollem Umfang möglich, erhält der Mitarbeiter für jede nicht ausgeglichenen Überstunden die Überstunden Vergütung nach § 1 Abs. 3 Unterabsatz zwei der Anlage 6 a zu den AVR gezahlt.”
In der Anlage 5 c „Langzeitkonten” der AVR ist geregelt:
„§ 7 Sicherung des Zeitguthabens
Der Wert des Zeitguthabens des Mitarbeiters, einschließlich des darauf entfallenden Dienstgeber Anteils an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, ist gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Dienstgebers zu sichern. Die Sicherung des Wertes der derzeit Guthaben ist dem Mitarbeiter gegenüber schriftlich nachzuweisen.”
In einem „Nachtrag zum Dienstvertrag” vom 30. Mai 1997 ist die Umwandlung von Vergütung in Freizeit vorgesehen. Geregelt ist dort unter anderem:
„§ 5
Sofern das Dienstverhältnis beendet wird und der entstandene Freizeitanspruch noch nicht erfüllt ist, ist die Freizeit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zu gewähren und zu nehmen.
Kann der Freizeitanspruch aus dienstlichen Gründen nicht gewährt werden oder reicht die Zeit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses für die Inanspruchnahme nicht aus, ist der Restanspruch abzugelten.
§ 6
Für die Inanspruchnahme der Freizeit (§ 2) finden die Ausschlussfristen gemäß § 23 AVR sowie die Verjährungsfristen gemäß §§ 194 ff BGB keine Anwendung.”
Der Betrieb, in dem die Klägerin in A beschäftigt war, ging zum 01. Oktober 2004 auf die B GmbH über. Zu diesem Zeitpunkt standen der Klägerin nach ihrem Arbeitszeitkonto 120 Freizeitstunden gemäß dem Nachtrag sowie 41 noch nicht ausgeglichenen Überstunden zu. Ihr Stundenlohn betrug 9,20 EUR.
Am 10. März 2005 wurde die Insolvenz über deren Vermögen eröffnet. Zum 01. Oktober 2005 ging der Betrieb auf die B GmbH und Co KG über. Zu dieser Zeit hatte sich das Guthaben an Überstunden auf 35,9 Stunden reduziert. Die B GmbH und Co KG, auf die das Arbeitsverhältnis der Klägerin übergegangen war weigert sich die Stunden des Arbeitszeitkontos auszugleichen.
Die Klägerin hat ihren Anspruch aus dem Arbeitszeitkonto im Insolvenzverfahren der B GmbH angemeldet. Ihre Forderungen wurde in Höhe von 1493,08 EUR vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt. Sie rechnet mit einer Befriedigung in Höhe von 55%.
Die Klägerin hat von der Beklagten die Abgeltung von 156 Arbeitsstunden zu je 9,96 EUR verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe gegen ihre Pflicht zur Sicherung des Wertes des Zeitguthabens verstoßen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.553,76 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Abgeltung von Freizeitstunden können nicht verlangt werden, da das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Wegen der Betriebsübergänge scheide jedenfalls eine Haftung der ...