Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Verkaufsreisenden/Auslieferungsfahrers für Kaffeeprodukte wegen Weigerung der Benutzung eines nach seiner Auffassung sexistisch gestalteten Dienstfahrzeugs
Leitsatz (redaktionell)
Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines 20 Jahre beanstandungsfrei beschäftigten Verkaufsreisenden/Auslieferungsfahrer für Kaffeeprodukte kann nicht darauf gestützt werden, dass dieser sich weigert, ein nach seiner Auffassung sexistisch gestaltetes Dienstfahrzeug zu benutzen. Vielmehr hätte es einer vorherigen Abmahnung bedurft.
Im Übrigen ist es dem Arbeitgeber zumutbar, zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist den Arbeitnehmer auf ein anderes Fahrzeug zu verweisen.
Normenkette
ZPO § 91a Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Aktenzeichen 2 Ca 1765/15) |
Tenor
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten gestritten.
Der 49 Jahre alte Kläger, dessen Homosexualität der Beklagten bekannt ist, war bei dieser bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem Jahre 1996 als Verkaufsreisender / Auslieferungsfahrer für Kaffeeprodukte gegen Zahlung eines Bruttomonatsgehaltes von zuletzt 3.250,00 € beschäftigt. Für die Beklagte sind regelmäßig weniger als 10 Mitarbeiter tätig. In Absprache mit dem Kläger schaffte die Beklagte zu Beginn des Jahres 2015 ein Auslieferungsfahrzeug der Marke Ford an, welches diesem für seine Liefertouren vorwiegend im Raum Düsseldorf/Köln zur Verfügung stehen sollte. Im Hinblick auf die optische Gestaltung des Fahrzeugs wurden dem Kläger von der Beklagten mehrere Vorschläge unterbreitet, denen der Kläger für das Design der Fahrerseite zustimmte und für dasjenige der Beifahrerseite zumindest nicht ausdrücklich widersprach; die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Ende Juni 2015 wurde das Fahrzeug an die Beklagte ausgeliefert. Seine linke Seitentür war absprachegemäß so lackiert, dass eine Person "ohne Kopf" zu sehen war, die so bekleidet war, wie der Kläger sich gewöhnlich zu kleiden pflegte. Die Schiebetür auf der Beifahrerseite war so lackiert, dass sie den Eindruck vermittelte, offen zu stehen und einen Einblick ins Fahrzeuginnere zu gewähren. Dabei ragten aus den dort zu erkennenden Kaffeebohnen zwei nackte Frauenbeine mit halb ausgezogenen Pumps in die Luft. Der Kläger absolvierte mit diesem Fahrzeug seine Auslieferungstour zumindest am 25.06.2015, nach Darstellung der Beklagten auch an den Tagen zuvor. Dabei wurde er von Kunden und Dritten auf die "sexistische" und "frauenfeindliche" Werbung angesprochen; diese "ginge gar nicht". Am Morgen des Freitag, den 26.06.2015, ließ der Geschäftsführer der Beklagten die zuvor grauen Radfelgen des Transporters gegen rote austauschen. Als der Kläger, der den Wagen zuvor bereits beladen hatte, dies bemerkte, montierte er die grauen Felgen wieder an. Nachdem der Geschäftsführer einen erneuten Felgenwechsel angeordnet hatte, kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Kläger, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Der Kläger erklärte, mit diesem "Puffauto" fahre er nicht und verließ in der Folge das Betriebsgelände. Er begab sich zum Arzt und wurde arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 15.09.2015 an. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 30.06.2015 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2015.
Im Rahmen der fristgemäß erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger sich gegen beide Kündigungen gewendet. Er hat gemeint, ein wichtiger Kündigungsgrund liege nicht vor. Selbst die ordentliche Kündigung sei wegen ihrer diskriminierenden Wirkung unwirksam. Der Kläger selbst sei trotz seiner der Beklagten bekannten sexuellen Ausrichtung bewusst und gegen seinen Willen zum Bestandteil einer sexistischen Werbung gemacht worden.
Die Beklagte hat sich darauf gestützt, der Kläger habe am 26.06.2015 beharrlich die ihm obliegende Arbeitsleistung verweigert und damit einen wichtigen Kündigungsgrund geliefert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, der sich zuvor mit der Lackierung seines Fahrzeugs sehr zufrieden gezeigt habe, nur wegen der Felgenfarbe die Arbeit niedergelegt habe. Der Kläger sei an diesem Morgen auch nicht erkrankt gewesen. Von einer Diskriminierung durch die Kündigung könne keine Rede sein.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.10.2015 der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung stattgegeben. Zwar könne eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Klägers vorgelegen haben; gleichwohl erweise sich eine außerordentliche Kündigung wegen Fehlens einer vorangegangenen Abmahnung und im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung insbesondere vor dem Hintergrund der erheblichen Betriebszugehörigkeit des Klägers als unverhältnismäßig. Die ordentliche Kündigung indes sei wirksam, weil ...