Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz als Maßstab bei Teilkapitalisierung durch Arbeitgeber. Verhältnismäßigkeit bei Umstellung von Betriebsrentenleistungen in Kapitalbeteiligung. Unzulässigkeit einer Teilkapitalisierung. Berücksichtigung von Überschussanteilen bei Teilkapitalisierung. Versicherungsmathematischer Vergleich im Versorgungsfall
Leitsatz (amtlich)
1. Die teilweise Umstellung eines Versprechens laufender Betriebsrentenleistungen in ein Kapitalleistungsversprechen bedarf einer eigenständigen Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Dafür gelten die vom Bundesarbeitsgericht zur vollständigen Umstellung einer laufenden Leistung auf ein Kapitalleistungsversprechen aufgestellten Grundsätze (Urteil vom 15.05.2012 - 3 AZR 11/10) entsprechend.
2. Beruft die Arbeitgeberin sich darauf, dass sie im Zusammenhang mit der Teilkapitalisierung den Gesamtdotierungsrahmen angehoben hat, sind bei der gebotenen rechtlichen Betrachtungsweise Überschussanteile für den vorzunehmenden Barwertvergleich nicht zu berücksichtigen, wenn sie nicht vertraglich garantiert sind. Es handelt sich in diesem Fall um nichts anderes als eine Chance des Mitarbeiters an der Überschussbeteiligung (hier des Fondsvermögens) zu partizipieren.
3. Es bleibt offen, ob bei dem versicherungsmathematischen Vergleich der dem einzelnen Kläger im Versorgungsfall tatsächlich zustehenden Betriebsrente mit und ohne Teilkapitalisierung die Überschussbeteiligung zu berücksichtigen ist. Es ist einerseits zu berücksichtigen, dass diese hier nicht garantiert ist und die Höhe der Altersversorgung damit nur begrenzt kalkulierbar ist. Andererseits kann nicht negiert werden, dass dem Arbeitnehmer mit der Überschussbeteiligung eine tatsächliche Kapitalleistung zufließt. Für den anzustellenden Vergleich ist maßgeblich, was dem Kläger im Ausscheidenszeitpunkt bei versicherungsmathematischer Umrechnung nach den dann maßgeblichen Grundlagen aus dem Kapitalbetrag an Rente zustehen würde. Andernfalls wird dem Kläger das Langlebigkeitsrisiko aufgebürdet und seine Kapitalleistung zu einer jetzt unzutreffenden veralteten Sterbetafel in eine Rente umgerechnet. Mit der auf den Ausscheidenstag abstellenden Berechnung ist das nicht vereinbar. Einen veraltet versicherungsmathematisch berechneten Rentenwert hat die Kapitalleistung im Zeitpunkt des Versorgungsfalls nicht.
4. Im Ergebnis führte die Abwägung der beiderseitigen Interessen hier dazu, dass die ablösende Teilkapitalisierung unzulässig war.
Normenkette
BetrAVG § 2a Abs. 1-2, §§ 3, 30g Abs. 1; ZPO §§ 256, 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.06.2021; Aktenzeichen 7 Ca 1124/20) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2021 - 7 Ca 1124/20 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, nach welchen Versorgungsbestimmungen sich die Anwartschaften des Klägers auf betriebliche Altersversorgung richten.
Die Beklagte ist ein börsennotierter Konsumgüterhersteller mit Hauptsitz in E.. Sie beschäftigte deutschlandweit ca. 8.500 Mitarbeiter. Der am 26.02.1957 geborene Kläger, der unverheiratet ist und keine Kinder hat, war seit dem 01.07.1988 bei der Beklagten zunächst als Tarifmitarbeiter beschäftigt. Der Kläger war ein schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 vom Hundert.
Bei der Beklagten existierte eine unter dem 14.06.1995 abgeschlossene Sprecherausschussvereinbarung über Versorgungsleistungen für leitende Angestellte (im Folgenden: SPA 1995). Auf Grundlage der SPA 1995 gewährte die Beklagte leitenden Angestellten, die in der Positionsstufe Hay 17 bis 22 (entsprechend der aktuellen Systematik: Führungskreis II b bis I) geführt wurden und eine Funktion dieser Positionsstufen wahrnahmen (§ 1 SPA), eine Versorgung. Diese richtete sich gemäß § 3 Abs. 1 SPA für Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der SPA 1995 am 01.01.1996 (§ 6 Abs. 1 SPA 1995) noch nicht im Besitz eines individuellen Pensionsvertrags waren nach Maßgabe des als Anlage der SPA 1995 beigefügten Leistungsplans vom 13.06.1995 (im Folgenden: LP 1995). In dem LP 1995 hieß es u.a.:
"§ 1 Versorgungsleistungen
Versorgungsleistungen im Sinne dieses Leistungsplans sind Ruhegelder (§§ 3 - 6), Witwen- bzw. Witwergelder (§ 7), Kindergelder (§ 8) und das Weihnachtsgeld (§ 10).
§ 2 Wartezeit
(1) Der Anspruch auf Versorgungsleistungen entsteht grundsätzlich nach einer Dienstzeit von 10 Jahren. ...
...
§ 3
Voraussetzungen der Zahlung eines Ruhegeldes
(1) Der Mitarbeiter erhält für die Zeit, in der kein Arbeitsverhältnis mit der Firma mehr besteht, ein Ruhegeld
a) wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat;
b) solange er vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält oder erhalten könnte, ...
c) wenn er aufgrund einer entsprechenden Bestimmung des Anstellungsvertrages...