Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit von Versorgungsbestimmungen auf Rentenanwartschaften. Umstellung von laufenden Versorgungsleistungen auf zusätzliche einmalige Kapitalabfindung. Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit bei Änderung der Versorgungsordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Versprechen auf monatliche Betriebsrentenzahlungen durch eine neue Versorgungsordnung abgelöst, die neben einer niedrigeren monatlichen Betriebsrente die Zusage einer einmaligen Kapitalleistung beinhaltet, so bedarf diese Umstellung einer eigenständigen Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Es gelten insoweit im Wesentlichen dieselben Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht für die vollständige Umstellung einer laufenden Leistung auf ein Kapitalleistungsversprechen aufgestellt hat (vgl. BAG v. 15.12.2012 - 3 AZR 11/10 -).

2. Beruft sich die Arbeitgeberin darauf, dass sie im Zusammenhang mit der Teilkapitalisierung den Gesamtdotierungsrahmen angehoben habe, so sind bei der gebotenen rechtlichen Bewertung Überschussanteile für den vorzunehmenden Barwertvergleich nicht zu berücksichtigen, wenn sie nicht garantiert sind. Es handelt sich in diesem Fall um nichts anderes als eine Chance des Mitarbeiters, an der Überschussbeteiligung (hier eines Fondsvermögens) zu partizipieren.

 

Normenkette

BetrAVG § 2a Abs. 1-2, § 3; ZPO § 97 Abs. 1, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.06.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1656/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.06.2023; Aktenzeichen 3 AZR 231/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2021 - Az.: 4 Ca 1656/19 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welchen Versorgungsbestimmungen sich die Anwartschaften des Klägers auf betriebliche Altersversorgung richten.

Die Beklagte ist eine börsennotierte Konsumgüterherstellerin mit Hauptsitz in E.. Sie beschäftigte deutschlandweit ca. 8.500 Mitarbeiter. Der am 06.01.1957 geborene Kläger ist seit dem 01.06.1988 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 01.07.1992 ist er als leitender Angestellter tätig. Der (Formular-) Anstellungsvertrag vom 01.07.1992 (Anlage K 1 zur Klageschrift) enthielt u.a. folgende Regelungen:

"11.

1. Die Firma kann den Mitarbeiter nach Vollendung des 62. Lebensjahres jeweils zum Vierteljahresschluss in den Ruhestand versetzen, sofern der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt an von der Firma oder einer Versorgungseinrichtung innerhalb der I.-Gruppe eine Pension erhält oder die Firma dem Mitarbeiter bis zum Beginn der Pensionszahlung Übergangszahlungen gewährt. Die Höhe dieser Pension oder der Übergangszahlungen sollen dem Betrag entsprechen, der dem Mitarbeiter nach der für ihn geltenden Pensionsregelung unter Zugrundelegung der Dienstzeit, die er bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zurückgelegt hätte, zusteht.

2. Mit Vollendung des 63. und des 65. Lebensjahres des Mitarbeiters wird die Höhe der Pension in Anlehnung an vergleichbare Endgehälter erneut berechnet.

3. Im Falle der vorzeitigen Pensionierung nach Vollendung des 62. Lebensjahres übernimmt die Firma bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Entstehens eines Anspruchs auf eine Rente aus der Angestelltenversicherung oder - sofern ein solcher Anspruch nicht besteht - bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit einer befreienden Lebensversicherung, längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr, folgende zusätzliche Leistungen:

a) einen angemessenen Zuschuss zur Pension, der dem mit Vollendung des 62. Lebensjahres zu beanspruchenden Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung entspricht;

b) die vollen Beiträge zur Angestelltenversicherung, befreienden Lebensversicherung, Versorgungsversicherung/Kapitalzusatzversorgung und Krankenversicherung, soweit nicht ein Dritter die Beiträge entrichtet.

4....

5. Die Firma wird den Mitarbeiter über ihre Absicht, ihn vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen, mindestens 12 Monate vor der beabsichtigten Beendigung des Anstellungsverhältnisses unterrichten.

6. Der Mitarbeiter kann die Versetzung in den Ruhestand nach Vollendung des 62. Lebensjahres unter den gleichen vorstehend angegebenen Bedingungen verlangen, sofern er die Firma von seiner Absicht mindestens 12 Monate vorher unterrichtet.

...

13.

Die Firma wird den Mitarbeiter in eine Pensionsregelung einbeziehen, sofern die in den Pensionsregelungen festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Vor der Einbeziehung besteht kein Rechtsanspruch auf die Leistungen.

..."

Die Beklagte ordnete die Positionen von leitenden Angestellten bestimmten Stufen zu. Seit dem 01.01.1999 ist der Kläger dem Management Circle (Führungskreis) II b zugeordnet.

Bei der Beklagten existierte eine unter dem 14.06.1995 abgeschlossene Sprecherausschussvereinbarung über Versorgungsleistungen für leitende Angestellte (im Folgenden: SPA 1995). Auf Grundlage der SPA 1995 gewährte die Beklagte leitende...

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