Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Arbeitsgerichts bei mehrtägiger Verhandlung und außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Morddrohungen gegenüber einem Vorgesetzten
Leitsatz (redaktionell)
1. Es verstößt nicht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen eines Verfahrens, dessen Beweisaufnahme sich über mehrere Sitzungstage erstreckt hat, in einem Termin, in dem lediglich ein Hinweis- und Beweisbeschluss verkündet wird, nicht mit denselben ehrenamtlichen Richtern besetzt ist, wie in den übrigen Terminen, in denen Beweise erhoben worden sind.
2. Die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen stellt einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB dar und ist "an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; ZPO § 355 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.08.2016; Aktenzeichen 7 Ca 415/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.08.2016 - 7 Ca 415/15 wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der am 24.04.1961 geborene Kläger ist seit dem 03.10.1988 für das beklagte Land tätig. Zuletzt arbeitete er 25 Stunden pro Woche gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.770,00 € als Sachbearbeiter in der Kriminalaktenhaltung/Personenfahndung im Dezernat Fahndung, Zentralstelle Q. NRW/INPOL, IT-Fachkoordination des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Er ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 70.
Am 17.05.2004 wurde der Kläger wegen Nichtbefolgens dienstlicher Anweisungen und Verletzung der Treuepflicht erstmals abgemahnt. Mit Schreiben vom 23.06.2004 wurde ihm eine weitere Abmahnung erteilt, weil er unter Inanspruchnahme von Gleitzeitausgleichstagen nicht zur Arbeit erschien, ohne dies vorher mit dem zuständigen Vorgesetzten abgesprochen zu haben.
Am 16.04.2009 wurde gegen den Kläger eine Strafanzeige gestellt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er ein Kind, das zuvor mit einer Spielzeugpistole auf ihn geschossen hatte, ins Gesicht geschlagen hatte.
Am 28.04.2011 wurde der Kläger wegen Nichtbeachtung dienstlicher Weisungen und Arbeitsverweigerung abgemahnt.
Im Jahr 2012 kandidierte der Kläger bei den Wahlen zum beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gebildeten Personalrat als freier Kandidat einer Liste, die er selbst gebildet hatte. Im Rahmen dieser Kandidatur ließ der Kläger unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung und trotz Kenntnis der Unzulässigkeit Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten anfertigen. Nach Bekanntwerden dieses Vorfalls forderte der Leiter der Verwaltung bzw. des Dezernats ZA 1 des Landeskriminalsamts Nordrhein-Westfalen C. den Kläger auf, die Kosten der gefertigten Kopien zu erstatten. Der Kläger verweigerte dies jedoch. Nachdem der Verwaltungsleiter C. den Kläger in der Folge dennoch wiederholt zur Kostenerstattung aufgefordert hatte, erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Nötigung gegen ihn. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf leitete daraufhin jedoch ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger selbst ein, das letztlich zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Verurteilung des Klägers wegen Betrugs durch das Amtsgericht Düsseldorf führte. Mit Schreiben vom 05.07.2012 mahnte das beklagte Land den Kläger darüber hinaus wegen der Anfertigung der Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung und trotz Kenntnis der Unzulässigkeit ab.
Mit Schreiben vom 21.05.2012 erteilte das beklagte Land dem Kläger eine weitere Abmahnung, weil er seiner Vorgesetzten per E-Mail vom 15.05.2012 mitgeteilt hatte, "[a]nstatt sich um solche Angelegenheiten zu kümmern, sollte [s]ie lieber [i]hre wertvolle Arbeitszeit damit verbringen, die seit Jahren in [i]hre Obhut fallende desolate Personalsituation in der Personalfahndung aufzubessern". Damit würde sie dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen mehr dienen.
Am 14.01.2013 schrie der Kläger seinen Sachgebietsleiter als Reaktion auf eine Arbeitsanweisung mit den Worten an: "Ich bin Ihre Schikanen leid, geben Sie mir eine Waffe[,] dann ...!". Im Mai/Juni 2013 wurde an das beklagte Land herangetragen, der Kläger plane, den damaligen Direktor des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen und den damaligen Finanzvorstand von Fortuna Düsseldorf mit einer in seinem Besitz befindlichen Pistole zu töten. Ein daraufhin gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Waffengesetz und Bedrohung blieb jedoch ergebnislos.
Seit Juli 2014 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Am 19.12.2014 wurde der Verwaltungsleiter C. gegen 20:50 Uhr von einer Telefonzelle in Höhe der H. Allee 77 in Düsseldorf...