Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige-Konsultationspflicht des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Das Konsultationsverfahren kann mit der Anhörung zur Kündigung nach § 102 BetrVG verbunden werden. Für den Betriebsrat muss aber erkennbar sein, in welchem Beteiligungsverfahren sich die Betriebspartner befinden, um die ihm nach den jeweiligen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen zu können.
2. Die nicht ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 3 Satz 2, 3 KSchG hat ebenso wie die nicht ordnungsgemäße Anzeige der Massenentlassung die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Unerheblich ist, dass die Agentur für Arbeit die angezeigte Massenentlassung nicht beanstandet hat (ebenso LAG Düsseldorf 10.11.2010 – 12 Sa 1321/10 – m.w.N. Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen – 6 AZR 780/10 –).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, §§ 17-18
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 11.01.2011; Aktenzeichen 7 Ca 2697/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 11.01.2011 – 7 Ca 2697/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 3/5 und der Kläger zu 2/5.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der am 09.12.1952 geborene, geschiedene Kläger war seit dem 01.03.2000 bei der Firma L. & O. GmbH & Co. KG in I. X. Straße 6 zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.047,00 EUR als Maschinenarbeiter beschäftigt. Zum 06.11.2009 übernahm die Beklagte, damals in Gründung, den Betrieb der Firma L. & O. GmbH & Co. KG. Mit Schreiben vom 06.11.2009 teilte der Insolvenzverwalter der Firma L. & O. GmbH & Co. KG den Arbeitnehmern mit, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte gemäß § 613 a BGB übergehen. Bei der Beklagten, bei der zuletzt 38 Arbeitnehmer beschäftigt waren, besteht ein Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 20.08.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2010, nachdem sie zuvor eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hatte.
Mit der am 09.09.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Kündigung und machte einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Er bestreitet die Ordnungsgemäßheit der Massenentlassungsanzeige, insbesondere, dass der Anzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt worden ist und der Betriebsrat zwei Wochen vor der Anzeige informiert worden ist.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 20.08.2010 nicht aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu den im Arbeitsvertrag vom 29.11.2000 geregelten Arbeitsbedingungen als Maschinenarbeiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass beabsichtigt gewesen sei, den übernommenen Betrieb nach I. zu verlegen, da der Mietvertrag in den Räumlichkeiten in I. bis zum 30.09.2010 befristet gewesen sei. Nachdem sie ihren einzigen Auftraggeber verloren habe, sei es nicht mehr zu der Betriebsverlagerung gekommen und sie habe allen Arbeitnehmern kündigen müssen, soweit nicht bereits Eigenkündigungen der Mitarbeiter vorgelegen hätten. Insofern habe es keiner Sozialauswahl bedurft. Die Produktion sei eingestellt und die Mitarbeiter mit Schreiben vom 16.08.2010 freigestellt worden. Das Anlagevermögen sei verkauft worden. Die Gesellschafter der Beklagten hätten am 27.08.2010 den Beschluss gefasst, die Gesellschaft zu liquidieren. Seitdem werde das Unternehmen abgewickelt. Die Produktion sei eingestellt worden, die Räumlichkeiten geräumt an die Zwangsverwaltung zurückgegeben worden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß informiert und zur Kündigung angehört worden.
Mit Urteil vom 11.01.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung unwirksam sei, weil die Massenentlassungsanzeige nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der Arbeitgeber habe den Betriebsrat § 17 Abs. 2 KSchG rechtzeitig schriftlich zu unterrichten und ihm die Möglichkeit zu geben, zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Der Massenentlassungsanzeige sei eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beizufügen. Sei keine Stellungnahme beigefügt, müsse der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass der Betriebsrat zwei Wochen vor der Anzeigenerstattung ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Es handele sich um eine Muss-vorschrift. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Rückschluss aus § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG. Dass der Anzeige eine Stellungnahme des Betr...