Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle
Leitsatz (amtlich)
§ 8 MTV der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie NRW in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung beinhaltet eine deklaratorische Verweisung auf die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen mit der Folge, daß §§ 3, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz Anwendung finden und die Arbeitnehmer nur Anspruch auf 80 % Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle haben.
Normenkette
MTV § 8; Entgeltfortzahlungsgesetz §§ 3-4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.04.1997; Aktenzeichen 5 Ca 9191/96) |
Tenor
1) Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.04.1997 – 5 Ca 9191/96 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte tarifvertraglich verpflichtet ist, der Klägerin Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % ihrer entsprechenden Durchschnittsvergütung zu zahlen.
Die am 12.01.1962 geborene Klägerin ist seit dem 20.07.1981 bei der Beklagten als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Ihr durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt beträgt derzeit DM 2.448,–. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen der „Tarifverträge der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie NRW” Anwendung. § 8 des einschlägigen Manteltarifvertrages vom 06.05.1994 (MTV a. F.) lautete bis zum 31.12.1996:
„Bei Arbeitsverhinderung infolge Krankheit finden die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung”.
In der ab dem 01.01.1997 geltenden Fassung heißt es dagegen wie folgt:
„Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle
- Bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers infolge Krankheit besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen.
- Abweichend von § 4 des Entgeltfortzahlungsgesetzes beträgt die Entgeltfortzahlung 100 % des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts nach Maßgabe folgender Bestimmungen: …”.
Nachdem die Klägerin im November 1996 arbeitsunfähig erkrankte, kürzte die Beklagte die ihr zustehende Entgeltfortzahlung im Krankheitszeitraum um 20 % = DM 48,05 brutto.
Mit ihrer am 23.12.1996 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung des Kürzungsbetrages verlangt und sich hierzu auf § 8 MTV a. F. berufen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß nach dieser Bestimmung auf die zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses geltende Fassung des Lohnfortzahlungsgesetzes abzustellen wäre, das damals eine 100 %ige Lohnfortzahlung vorsah. Die später verabschiedete gesetzliche Neuregelung im Entgeltfortzahlungsgesetz sei hingegen nicht absehbar und vom Willen der Tarifvertragsparteien nicht erfaßt gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 48,05 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei § 8 MTV a. F. nicht um eine eigenständige Regelung sondern um eine deklaratorische Verweisung auf die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen handele. Diese würden der Klägerin aber nur eine 80 %ige Vergütungszahlung garantieren, so daß ihr Begehren unbegründet sei.
Mit Urteil vom 22.04.1997 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf – 5 Ca 9191/96 – die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht das Vorliegen einer nur deklaratorischen Verweisung auf § 4 EFZG angenommen und demgemäß einen weitergehenden Anspruch aus § 8 MTV a. F. verneint.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.09.1997 zugestellte Urteil mit einem am 21.07.1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.08.1997 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und meint vor allem, eine Auslegung von § 8 MTV a. F. ergebe zwingend, daß allein auf die bei Tarifvertragsabschluß geltende gesetzliche Regelung abzustellen wäre. Anderenfalls hätten die Tarifvertragsparteien das Wort „jeweils” in den Vertragstext aufgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.04.1997 – Az.: 5 Ca 9191/96 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 48,05 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), wegen der ausdrücklichen Zulassung im arbeits...