Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Vereinbarung eines Tarifentgelts als dynamische Verweisung auf die Tarifentwicklung. Ergänzende Vertragsauslegung bei Entstehung einer planwidrigen Regelungslücke. Vorgaben und Grenzen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Heranziehung des Tarifvertrages mit der größten "Arbeitsvertragsnähe" bei einer ergänzenden Vertragsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung als dynamische Verweisung auf das Vergütungssystem des BAT.

2. Zur Tarifsukzession von BAT zu TVöD-VKA.

 

Normenkette

BAT; TVöD-VKA; BGB § 305 Abs. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2; BAT Entgeltgruppe Kr Va; TVöD Entgeltgruppe 7a

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 13.07.2017; Aktenzeichen 2 Ca 243/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13.07.2017 - 2 Ca 243/17 - abgeändert:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.989,58 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab 01.02.2017 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe P 7 Stufe 6 der P-Tabelle des TVöD für den Bereich VKA zu zahlen.
    3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  • II.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Kern über die Frage, ob sich der Entgeltanspruch der Klägerin aus einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf das Vergütungssystem des TVöD-VKA, hilfsweise des TV-L ergibt.

Die Klägerin ist seit dem 01.10.1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Angestellte in der Altenpflege beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 29.03.1994, den die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss, sieht unter anderem Folgendes vor:

§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Vergütung der Gruppe: Kr IV

Monatslohn/Gehalt 3.051,30 DM

Stundenlohn 23,47 DM.

Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.

§ 7 Sonstige betriebliche/gesetzliche Regelungen

Es gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts.

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses erhielt die Klägerin durchgehend eine Vergütung auf Basis des BAT, und zwar zunächst nach der Vergütungsgruppe Kr IV und nach Bewährungsaufstieg nach Kr Va.

Die Klägerin arbeitet in Teilzeit (30 Stunden). Sie erhielt im September 2005 bzw. im Oktober 2006 eine Vergütung in Höhe von 1.939,16 EUR (Grundvergütung, Ortszuschlag, Allgemeine Zulage). Dies entsprach in Vollzeit einer Vergütung in Höhe von 2.488,59 EUR.

Nach Außerkrafttreten des BAT fanden keine Gehaltserhöhungen mehr statt. Die Klägerin erhielt bis zuletzt die monatliche Bruttogesamtvergütung von 1.939,16 EUR, bestehend aus Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulage.

Erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 11.01.2017 machte die Klägerin näher bezifferte Ansprüche auf Vergütung nach dem TVöD/VKA bzw. TV-L geltend.

Mit ihrer am 21.02.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangte die Klägerin die tarifliche Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 a Stufe 6 der Kr-Anwendungstabelle für den Bereich des TVöD-VKA., hilfsweise des TV-L und insoweit den Ausgleich der Vergütungsdifferenzen seit 01.07.2016.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 2 des Arbeitsvertrags enthalte aufgrund der Nennung der Vergütungsgruppe und des konkreten Gehaltes eine dynamische Bezugnahme auf den BAT. Diese Bezugnahme sei während der Geltung des BAT auch entsprechend gelebt worden. Mit Nichtfortschreiben der Vergütungstarifverträge zum BAT sei die Bezugnahmeklausel unvorhergesehen lückenhaft geworden. Es habe von vornherein nicht im Interesse der Parteien gelegen, ihre Vergütung in einem derartigen Fall dauerhaft einzufrieren. Die entstandene Lücke sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei die Beklagte allein in N. als lokaler Betreiber einer Altenpflegeeinrichtung tätig gewesen, also lediglich "regional". Am besten "passten" deshalb die Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst im gemeindlichen Bereich.

Die Klägerin berechnet ihre Ansprüche auf dieser Grundlage wie folgt:

Aus der Entgeltgruppe Kr IV sei sie in die Entgeltgruppe Kr Va aufgestiegen, in der sie im Jahre 2005/2006 vergütet worden sei. Das Vergleichsentgelt in dieser Entgeltgruppe habe im September 2005 bzw. Oktober 2006 2.488,59 EUR betragen. Damit sei die Klägerin in eine individuelle Zwischenstufe der Stufe 5 und 6 der ersten Kr-.Anwendungstabelle einzuordnen und sei zum 01.10.2007 in die Stufe 6 der Entgeltgruppe 7a aufgestiegen, nach der sie nunmehr zu vergüten sei. Das Vollzeitgehalt der Stufe 6 habe im Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.01.2017 3.220,01 EUR betragen, was umgerechnet auf eine 30-Stunden-Woche einen Betr...

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