Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerweiterbildung und Jedermannzugänglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 9 Satz 1 AWbG NW i.V.m. § 2 Abs. 4 WbG NW ist eine von einer Einrichtung der IG-Metall durchgeführte Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung nicht mehr „für jedermann” zugänglich, wenn damit geworben wird, daß die Kosten der Teilnahme für IG-Metall-Mitglieder von der IG-Metall übernommen werden, während sonstige Teilnehmer einen täglichen Kostenbeitrag von mehr als 100,– DM leisten müssen.

 

Normenkette

AWbG NW § 1 Abs. 2, § 9 S. 1; WbG NW § 2 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 07.11.1995; Aktenzeichen 8 Ca 3511/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 02.12.1997; Aktenzeichen 9 AZR 584/96)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 07.11.1995 – 8 Ca 3511/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 1.819,90 DM brutto in Anspruch. Insoweit streiten die Parteien darüber, ob dem Kläger in dieser Höhe ein Entgeltfortzahlungsanspruch auf der Grundlage des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes NW (AWbG) zusteht.

Der Kläger, Vertrauensmann der IG-Metall, steht seit dem 01.09.1977 als Maschineneinrichter in den Diensten der Beklagten, die ca. 1.800 Arbeitnehmer beschäftigt. In der Zeit vom 22.05.1995 bis zum 02.06.1995 besuchte der Kläger im Bildungszentrum S. ein von der IG-Metall durchgeführtes Seminar mit dem Titel „Arbeitnehmer/-innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft III”. Dieses Seminar ist neben anderen Seminaren vom Kultusminister des Landes NW nach § 9 d AWbG anerkannt – III C 2 – 21 – 0/3 – Nr. 1033/94. Das Bildungszentrum S. der IG-Metall ist als Träger der Arbeitnehmerweiterbildung anerkannt.

Auf das Bildungsprogramm 1995 der IG-Metall wurde durch eine Anzeige in der W. Z. vom 04.03.1995 hingewiesen. In der Einleitung des Bildungsprogramms heißt es u.a. wie folgt:

„Teilnahmemöglichkeiten nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz

Die Seminare sind für jedermann zugänglich, auch dann, wenn sich die Inhalte an den Interessen bestimmter Zielgruppen oder an Verhältnissen in der Metallwirtschaft orientieren.

Für die Teilnahme wird ein Kostenbeitrag für Unterkunft und Verpflegung erhoben.

Für die Mitglieder der IG Metall werden die Kosten übernommen, soweit keine Erstattung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG) oder nach dem Schwerbehindertengesetz (§ 26 Abs. 4 SchwbG) durch den Arbeitgeber erfolgt.”

Der Bildungsbeauftragte der IG-Metall wies durch Aushang am „Schwarzen Brett” im Betrieb der Beklagten Anfang des Jahres 1995 auf die Bildungsseminare der IG-Metall für das Jahr 1995 hin.

Soweit es um den Seminartyp „Arbeitnehmer/-innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft II” geht, enthält die Seminarankündigung einen Hinweis folgenden Inhalts:

„Empfehlenswert ist der vorherige Besuch des Seminars „Arbeitnehmer/-innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I” bzw. Situation und Interessen junger Arbeitnehmer/-innen im Betrieb I”.

In diesen Seminaren sind die Seminarplätze bis zwei Monate vor Seminarbeginn für die Verwaltungsstellen reserviert.”

Die vom Kläger am 07.03.1995 beanspruchte Teilnahme an dem Seminar vom 22.05.1995 bis zum 02.06.1995 wurde ihm von der Beklagten vereinbarungsgemäß mit der Maßgabe bewilligt, daß ihm für diesen Zeitraum zunächst unbezahlte Freizeit gewährt wurde und die Frage der Vergütung zurückgestellt werden sollte.

Der Kläger hat mit einer bei dem Arbeitsgericht Wuppertal am 11.08.1995 anhängig gemachten Klage geltend gemacht, die Beklagte müsse für die Teilnahme am streitgegenständlichen Seminar Entgeltfortzahlung auf der Grundlage des § 7 AWbG gewähren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.819,90 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenen Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich im wesentlichen damit verteidigt, daß die Allgemeinzugänglichkeit zu dem vom Kläger besuchten Seminar zu verneinen sei.

Durch Urteil vom 07.11.1995 hat die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal – 8 Ca 3511/95 die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 1.819,90 DM festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß dem Kläger die geforderte Vergütungszahlung nicht zustünde, weil das von ihm besuchte Seminar nicht gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 WbG in Verbindung m. § 9 AWbG durchgeführt worden sei. Das Seminar sei nämlich nicht für jedermann zugänglich gewesen. Aus der Präambel der Bildungsbroschüre der IG-Metall für 1995 seien keine Rückschlüsse auf die Allgemeinzugänglichkeit zu ziehen. Die Beschreibung des hier streitbefangenen Seminars wiese eine beschränkte Zugänglichkeit aus. Denn das Seminar werde ausdrücklich als Seminar im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG ausgewiesen. Damit werde zum Ausdruck gebracht, daß Kenntnisse vermittelt würden, die für die täglic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge