Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltskontrolle einer Sonderzahlung (Anwesenheitsprämie)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel, die eine Sonderzahlung (Anwesenheitsprämie) vorsieht und in ihrer konkreten Ausformulierung die Zwecke einer Sonderzahlung und einer zeitanteilig zu gewährenden Anwesenheitsprämie vermengt, ohne hinreichend deutlich zu machen, was wirklich gewollt ist, ist intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 4 a EFZG schließt die Transparenzkontrolle nicht aus.
2. Eine Stichtagsregelung, die vorsieht, dass Voraussetzung für eine Anwesenheitsprämie das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses ist, benachteiligt den Arbeitnehmer jedenfalls im Kleinbetrieb unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Klausel ermöglicht es dem Arbeitgeber, nachdem die Verhaltenssteuerung des Arbeitnehmers erreicht wurde, eine zugleich zeitanteilig versprochene Anwesenheitsprämie dem Arbeitnehmer einseitig und voraussetzungslos zu entziehen. § 4a EFZG führt nicht dazu, dass jedwede Kombination von Sonderzahlung und Anwesenheitsprämie zulässig ist.
Normenkette
GG Art. 12; BGB §§ 138, 242, 307 Abs. 1, § 310 Abs. 3, § 613a Abs. 4; EFZG § 4a
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 18.11.2009; Aktenzeichen 8 Ca 5878/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.11.2009 – 8 Ca 5878/09 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 666,67 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2009 zu zahlen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17%.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung sowie über den Anspruch auf Zahlung einer Sondervergütung (Anwesenheitsprämie).
Die 28 Jahre alte, verheiratete Klägerin war seit dem 15.03.2005 als Mitarbeiterin für Wohnungsverwaltungen und Rechnungswesen in Teilzeit (20 Wochenstunden) bei der Beklagten, die drei Mitarbeiter beschäftigte, tätig. Grundlage war der Arbeitsvertrag vom 07.03.2005. In diesem hieß es u. a.:
„2. Vergütung
Für ihre Tätigkeit erhält Frau S. eine Vergütung von zunächst EUR 900,00 brutto während der 6-monatigen Probezeit und im Anschluss hieran eine monatliche Vergütung von EUR 1.000,00 brutto.
Darüber hinaus zahlt die Firma 4. H. Immobilien
a.) Mit dem Novembergehalt eines jeden Jahres eine Sonderzahlung (Anwesenheitsprämie) in Höhe eines weiteren Monatsgehalts bei Bestehen eines zu diesem Zeitpunkt ungekündigten Arbeitsvertrags, bei Rumpfjahren jedoch nur zeitanteilig.
Die Sonderzahlung reduziert sich, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten 1 Woche (5 Arbeitstage) im Kalenderjahr überschreiten, um jeweils 1/52 pro angefangener Woche der Fehlzeit. Die Sonderzahlung ist zurück zu gewähren, wenn die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06. des darauf folgenden Kalenderjahres kündigt. …
8. Kündigung
Nach Ablauf der Probezeit gilt die gesetzliche Kündigungsfrist. …”
Die Vertragsklausel in Nr. 2 a) des Arbeitsvertrages war von der Beklagten vorformuliert und der Klägerin gestellt worden. Auf die Formulierung hatte sie keinen Einfluss genommen. Das durchschnittliche monatliche Gesamtbruttogehalt der Klägerin betrug 1083,33 Euro.
Nachdem Frau C. X. als Geschäftsführerin aus dem Unternehmen ausgeschieden war, war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der am 17.01.1926 geborene Herr Dr. X.. Gesellschafter der Beklagten waren nur Familienangehörige, nämlich die Ehefrau von Herrn Dr. X. sowie drei Töchter. Die Beklagte war seit Juni des Jahres 2009 bemüht, die Nachfolge einem erfahrenen Mitarbeiter zu übertragen. Sie schaltete dazu in der Rheinischen Post folgende Anzeige:
„Immobilienfirma (GmbH, Sitz Düsseldorf, Stadtmitte, vorwiegend auf dem Gebiet der Verwaltung von Eigentums-/Mietwohnungen tätig), sucht ab sofort eine/n zuverlässige/n und erfahrene/n Mitarbeiter/in.
In absehbarer Zeit kann eine Übernahme in der Geschäftsführung erfolgen, ggf. auch eine Übernahme der seit dem Jahre 1980 bestehenden Firma.”
Mit Schreiben vom 27.07.2007, das die Klägerin am gleichen Tag erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2009. In diesem hieß es u.a.:
„Aufgrund der langjährigen guten Zusammenarbeit bedauern wir diese Kündigung sehr, die zu einer Umstellung des Betriebs erforderlich ist, weil der Unterzeichner voraussichtlich in absehbarer Zeit aus dem Unternehmen ausscheiden wird.”
Am 01.09.2009 stellte die Beklagte eine neue Mitarbeiterin ein, welche die Aufgaben der Klägerin ausführte.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sich um eine reine Austauschkündigung ohne sozialen Ansatz handele. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzges...