Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafterwechsel als Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB
Leitsatz (amtlich)
Ein "Unternehmensübergang" in Form eines bloßen Gesellschafterwechsels ohne einen Wechsel des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers wird von der Richtlinie 2001/23/EG nicht erfasst, auch wenn dort vom "Übergang von Unternehmen" die Rede ist.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 26.02.2015; Aktenzeichen 5 Ca 3381/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 26.02.2015, Az. 5 Ca 3381/14 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen aufgrund der Frage, ob der TVöD auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.
Die Beklagte betreibt mit der Fachklinik S./S. in F.-L. eine große Rehabilitationsklinik. Sie ist sog. OT-Mitglied im Verband der kommunalen Arbeitgeber NRW. Es besteht ein Betriebsrat. Am 01.01.2002 erwarb die N. AG die Gesellschaftsanteile an der Beklagten.
Der am 19.09.1958 geborene, ledige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.05.1984 als Masseur und med. Bademeister angestellt. Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der Arbeitsvertrag vom 21.03.1984. Dieser enthält - soweit hier von Interesse - auszugsweise folgende Regelungen:
..."
§ 2
Tarifvertrag
Für das Arbeitsverhältnis gelten entsprechend die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 (einschließlich der Anlagen 1 a und 1 b zum BAT), die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung und die für die FRR erlassenen Betriebsvereinbarungen, Dienstanweisungen und Richtlinien, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrückliche Regelungen getroffen sind.
§ 5
Vergütung
Die Eingruppierung des Angestellten erfolgt entsprechend § 22 BAT in Vergütungsgruppe BAT VI b.
..."
Der Kläger führte in der Vergangenheit bereits mehrere Verfahren gegen die Beklagte, in denen über die Frage gestritten worden ist, ob auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis der TVöD mit den relevanten Entgelttabellen Anwendung findet.
Die Beklagte versuchte ab dem Jahre 2004 mit der Gewerkschaft ver.di Notlagentarifverträge zu verhandeln. Im Hinblick auf diese Tarifverträge unterzeichnete der Kläger im Dezember 2004 eine Erklärung, nach der er diese Tarifverträge als Ergänzung seines Arbeitsvertrages anerkannte. Die Notlagentarifverträge traten jedoch letztendlich beide nicht in Kraft, weil die sog. Clearingstelle der Gewerkschaft ver.di im Jahr 2005 deren Unterzeichnung aus "politischen Gründen" ablehnte.
Gleichwohl wendete die Beklagte ab dem 01.01.2005 auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die die ihnen im Dezember 2004 übersandte Erklärung unterzeichnet hatten, die nicht in Kraft getretenen Notlagentarifverträge I und II an.
Hiergegen wandte sich der Kläger in dem vor dem Arbeitsgericht Essen geführten Rechtsstreit - 8 (6) Ca 4610/06 -. Mit Urteil vom 15.02.2007 hat die 8. Kammer daraufhin auszugsweise wie folgt entschieden:
"2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.07.2006 nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 der Kr-Anwendungstabelle Anlage 5 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 zu vergüten.
3. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 einschließlich der diese Vorschriften ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden."
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.
In den folgenden Jahren hat der Kläger - nachdem die Beklagte die Feststellungstitel beharrlich ignorierte - mehrfach die Vergütungsdifferenzen vor dem ArbG Essen geltend gemacht (8 Ca 346/08, 4 Ca 4383/08, 3 Ca 4749/09, 4 Ca 3561/10, 1 Ca 3196/11 und 2 Ca 1708/12).
Nach dem Scheitern der Notlagentarifverträge verhandelte die Beklagte mit dem Betriebsrat und vereinbarte - nach Anrufung der Einigungsstelle - mit diesem am 09.04.2008 eine Betriebsvereinbarung.Sie bestimmt zunächst unter I. ihren Geltungsbereich, nennt unter II. die Rechtswirkungen und regelt unter Ziffer V. personelle Maßnahmen. Unter Ziffer VII. werden die Auswirkungen auf die Individualverträge geregelt, unter anderem ein Verzicht auf tarifliche Sonderzahlungen, die statische Geltung des BAT mit dem Stand vom 31.01.2003 (vor Überleitung TVöD) sowie die Eingruppierung und Entgelthöhe entsprechend der Abrechnung für Oktober 2007, wobei Bewährungsaufstiege und Stufensteigerungen wegen Betriebszugehörigkeit weiter vorgenom...