Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Betriebsübergangs. Durchbrechung der Rechtskraft eines Feststellungsurteils durch Gesellschafterwechsel auf der Beklagtenseite. Rechtliche Einordnung einer von jedem einzelnen Arbeitnehmer zu bestätigenden Vereinbarung über die statische Fortgeltung des BAT
Leitsatz (amtlich)
1. Ein bloßer Wechsel der Gesellschafter stellt keinen Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar.
2. Enthält eine Vereinbarung der Betriebsparteien keine Regelungen, die unmittelbar und zwingend für die einzelnen Arbeitsverhältnisse im Betrieb gelten, so handelt es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung, sondern um eine Regelungsabrede. Nehmen die Arbeitsvertragsparteien auf eine solche Vereinbarung Bezug, so finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung. Die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S.1 BGB greift nicht ein.
Normenkette
EGRL 2001/23; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Essen (Aktenzeichen 4 Ca 192/15) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.04.2015 - AZ: 4 Ca 192/15 - teilweise abgeändert und zum Zwecke der Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 351,37 € brutto zuzüglich steuerfreier Sonntagszuschläge in Höhe von 3,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 368,86 € brutto zuzüglich steuerfreier Sonntagszuschläge in Höhe von 3,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.115, 29 € brutto zuzüglich steuerfreier Sonntagszuschläge in Höhe von 6,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.12.2014 nach der Entgeltgruppe 7a, Stufe 6, der KR-Anwendungstabelle Anlage E des TVöd-K zu vergüten.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die weitergehenden Berufungen der Klägerin und der Beklagten werden zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zu 50% zu tragen.
IV.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis vom BAT in den TVöD überzuleiten ist und welche Vergütungsansprüche sich hieraus ergeben.
Die Beklagte betreibt eine Rehabilitationsklinik. Die am 28.04.1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Pflegekraft im Schicht- und Wechseldienst beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 18.05.1988 beinhaltet eine Tätigkeit als stellvertretende Stationsleitung mit einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR V. Mit Wirkung zum 01.08.1989 wurde sie nach KR Va eingestuft. Sie ist teilzeitbeschäftigt mit einem Arbeitszeitanteil in Höhe von 91,04%.
§ 2 des Arbeitsvertrags regelt Folgendes:
"Für das Arbeitsverhältnis gelten entsprechend die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 (einschließlich der Anlagen 1a und 1b zum BAT), die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung und die für die FRR erlassenen Betriebsvereinbarungen, Dienstanweisungen und Richtlinien, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrückliche Regelungen getroffen sind."
Die Beklagte war und ist nicht mitgliedschaftlich an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. Am 01.01.2002 erwarb die N. AG die Gesellschaftsanteile der Beklagten.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) ersetzt der TVöD den BAT mit Wirkung zum 01.10.2005. Zum Zwecke der Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD ist gemäß § 5 Abs. 1 TVÜ-VKA ein Vergleichsentgelt auf Grundlage der Bezüge für September 2005 zu bilden. Das Entgelt der Klägerin im September 2005 bestehend aus Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeiner Zulage betrug auf Basis ihrer Teilzeitbasis 2.265,56 € brutto. Nicht in diesem Betrag enthalten ist ein Verheiratetenzuschlag, welcher der Klägerin gewährt worden war, obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt noch unverheiratet war.
Die Beklagte wandte den BAT auch über den 01.10.2005 hinaus weiter an. Hiergegen wandte sich die Klägerin in einem vor dem Arbeitsgericht Essen geführten Rechtsstreit (AZ: 1 Ca 278/08). Mit Urteil vom 24.04.2008 hat das Arbeitsgericht daraufhin - soweit hier von Interesse - wie folgt entschieden:
"Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 für den Bereich VKA einschließlich der diese Vorschriften ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden."
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