Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung wegen grober Beleidigung
Leitsatz (amtlich)
Entfährt einem Hausarbeiter auf die ihm durch den Gruppenleiter erteilte Arbeitsanweisung der Satz: „Beweg doch selber Deinen Arsch, Du bist auch ein faules Schwein”, berechtigt dies nicht deshalb schon zur außerordentlichen Kündigung, weil der Hausarbeiter in einer in kirchlicher Trägerschaft stehenden Einrichtung beschäftigt ist.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 05.06.2008; Aktenzeichen 4 Ca 178/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.06.2008 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, zu deren Rechtfertigung die Beklagte sich auf einen Vorfall am 22.01.2008 beruft.
Der Kläger, 47 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, trat am 01.07.1987 als Hausarbeiter/Hilfspfleger in die Dienste der Beklagten, die in N. ein diakonisches Krankenhaus mit ca. 1.000 Mitarbeitern betreibt. Er war seither im Bereich „Zentrale Transportdienste” tätig. Dort sind im Schichtdienst insgesamt ca. 20 Arbeitnehmer eingesetzt. Vorübergehend – von Juli 2005 bis September 2006 – nahm der Kläger in diesem Bereich auch die Funktion des Gruppenleiters wahr. Seit dem 01.02.2007 übt der Mitarbeiter K. diese Funktion aus und ist als solcher dem Kläger vorgesetzt.
Die Mitarbeiter im Bereich „Zentrale Transportdienste” duzen sich. Nach Behauptung des Klägers herrscht zwischen ihnen ein als rauh und jovial zu bezeichnender Umgangston; nach Behauptung der Beklagten ist es nicht so, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter sich als Ausdruck der Jovialität mit Ausdrücken wie „Arsch” und „Faules Schwein” belegen.
Der Kläger pflegte eine halbe Stunde vor Dienstbeginn (7.30 Uhr) am Arbeitsplatz zu sein und zu frühstücken. Am 22.01.2008 erschien er erst um 7.30 Uhr, als der Gruppenleiter K. mit den Mitarbeitern V., E. und W. bereits die Frühbesprechung in seinem Büro im Tiefgeschoss des Krankenhauses abhielt. Der Kläger bemerkte bei seinem Erscheinen: „So ein Scheiß, ich hab noch keinen Kaffee gehabt, weil die Straßenbahn zu spät war.” Als der Gruppenleiter K. im Hinblick auf den hohen Krankenstand (3 von 7 Mitarbeitern fehlten) die Erschienen zur sofortigen Arbeitsaufnahme anhielt, kam es zwischen ihm und dem Kläger zu einem lautstarken Wortwechsel, weil der Kläger, von K. angewiesen, die Essenswagen von der Küche zu den Stationen zu bringen, zuerst „Zeit für seinen Kaffee” reklamierte. In der Folge äußerte der Kläger gegenüber K. „Beweg selber deinen Arsch” und fügte – nach streitiger Behauptung der Beklagten – hinzu „Du bist ja auch ein faules Schwein”, woraufhin K. sinngemäß geantwortet habe „Das geht so nicht!”. Danach verließ der Kläger den Raum unter lautem Zuschlagen der Tür – wie die Beklagte behauptet – und ging an die Arbeit. Ca. 2 Stunden später trafen der Kläger und K. im Aufzug aufeinander. In der in ruhigem Ton geführten Unterhaltung fragte K. den Kläger, ob er sich beruhigt habe, was der Kläger bejahte.
Nachdem K. sich unmittelbar nach dem Vorfall bei seiner vorgesetzten Stelle über das Verhalten des Klägers beschwert hatte, hörte diese die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Nach deren Widerspruch erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 24.01.2008 „wegen der am 22.01.2008 gegenüber Herrn K. im Beisein von 3 weiteren Mitarbeitern gemachten Äußerungen, die wir als grobe Beleidigung und Untergrabung der Autorität des Herrn K. sehen”, die außerordentliche Kündigung zum 29.01.2008.
Am 28.01.2008 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Oberhausen Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage eingereicht.
Im Prozess hat die Beklagte eine Abmahnung vom 13.01.1997 und eine Ermahnung vom 16.12.2005 vorgelegt und auf eine vom Disponenten B. über das Arbeitsleistungsverhalten des Klägers im Juli 2006 wiederholt geführte Beschwerde verwiesen. Durch seine verbale Entgleisung am 22.01.2008 habe der Kläger – so hat sie vorgetragen – nicht nur den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt und die Autorität des Gruppenleiters K. untergraben, sondern auch gegen die Verhaltenspflichten sowie das Leitbild für die Mitarbeiter eines Evangelischen Krankenhauses verstoßen und den Ruf des Krankenhauses massiv geschädigt.
Der Kläger hat seine Heftigkeit am 22.01.2008 als einmaliges Fehlverhalten bedauert.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 05.06.2008 der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der ...