Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. fristlos. verhaltensbedingt. Pflichtverletzung. schwerwiegende. Beleidigung. Kundenbeleidigung. Repräsentant. „Arschloch”. Verhältnismäßigkeit. Abmahnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen.
2. Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer fristlosen Kündigung genommen werden können. Allerdings ist zu beachten, dass Tätigkeiten oder Beleidigungen unter Arbeitskollegen nicht dem Leistungsbereich zuzurechnen sind und daher ohne vorherige Abmahnung im Einzelfall eine Kündigung rechtfertigen können.
3. Eine Abmahnung ist im Einzelfall dann nicht erforderlich, wenn ein Arbeitnehmer einen Kunden oder einen sonstigen Vertreter einer Person, die in einer Geschäftsbeziehung zu seinem Arbeitgeber steht, beleidigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der beleidigende Arbeitnehmer weiß bzw. erkannt hat, dass es sich bei der beleidigten Person um jemand handelt, der in einer Geschäftsbeziehung zu seinem Arbeitgeber steht.
Normenkette
BGB §§ 626, 314 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen 1 Ca 511 b/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 28.10.2009 – 1 Ca 511 b/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen und hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der 1966 geborene Kläger, der getrennt lebt und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, trat am 1. Januar 2003 als Kraftfahrer in die Dienste der Beklagten ein. Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 28 – 30 d. A.). In einer Anlage zum Arbeitsvertrag heißt es bezüglich der „besonderen Aufgaben des Fahrers”, die Arbeitgeberin lege besonderen Wert auf eine freundliche Kundenbedienung und sauberes, gepflegtes Auftreten der Fahrer. Der Kläger verdiente bei der Beklagten zuletzt EUR 2.090,94 brutto.
Die Beklagte betreibt in N. ein Logistikzentrum und liefert von dort aus Ware an die Kunden, und zwar auch an C.-Filialen.
Der Kläger wurde bereits in der Vergangenheit häufiger eingesetzt zur Belieferung der C.-Filiale in R.. Ihm ist bekannt, dass die Einfahrt dort ziemlich eng und insbesondere die Durchfahrtshöhe sehr knapp bemessen ist.
Am 24. März 2009 hatte der Kläger den Auftrag, erneut die C.-Filiale in R. zu beliefern. Als er dort in das Parkdeck der Filiale einfuhr, sprach ihn der Zeuge G. an. G. arbeitete für die Firma H. GmbH, die die Liegenschaftsverwaltung des Objektes der C.-Filiale in R. übernommen hatte. Der Zeuge G. war dem Kläger nicht persönlich bekannt.
Der Zeuge G. forderte den Kläger auf, wegen der beengten Verhältnisse nicht weiterzufahren. Der weitere Inhalt der verbalen Auseinandersetzung ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls fuhr der Kläger trotz der Aufforderung weiter, wobei zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist, ob der Kläger dadurch Beschädigungen verursachte.
Die Liegenschaftsverwalterin erteilte dem Kläger im Anschluss daran für sechs Monate ein Hausverbot.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 31. März 2009 fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt und führte zur Begründung im Kündigungsschreiben aus, er – Kläger – habe am 24. März 2009 einem Mitarbeiter eines Kunden – nachdem dieser ihm die Einfahrt in ein Parkdeck untersagt habe – mitgeteilt, „Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch.” Anschließend habe er diesen Mitarbeiter nochmals mehrfach beleidigt, indem er ihn als „Arschloch” bezeichnet habe. Die Beklagte hörte vor Ausspruch der Kündigung den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 26. März 2009 zu der beabsichtigten fristlosen und hilfsweise fristgerechten Kündigung an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen auf Blatt 26 und 27 der Akte. Diese Anhörung ging dem Betriebsrat am 26. März 2009 zu und er nahm Stellung am 30. März 2009 und vertrat die Auffassung, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt, weil der Kläger schon mit einem unfreundlichen Ton empfangen worden sei. Es müsse von den Kunden Sorge dafür getragen werden, dass die Fahrer vernünftig behandelt würden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Fahrer mit großen Koffern in ein Haus geschickt würden, welches nur mit kleinen Koffern beliefert werden könne.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nochmals erneut vorsorglich m...