Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Beleidigung als „Arschloch”. Verhältnismäßigkeit der Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Die Beleidigung des Arbeitgebers als „Arschloch” stellt zwar einen an sich geeigneten außerordentlichen Kündigungsgrund dar, rechtfertigt aber nach den Umständen des Einzelfalls nicht stets die außerordentliche Kündigung.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Aktenzeichen 4 Ca 1308 c/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn – 4 Ca 1308 c/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Der am …1971 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 02.01.1995 als Produktionshelfer zu einem Stundenlohn von EUR 12,41 brutto bei 39,5 Wochenarbeitsstunden bei der Beklagten, die eine Druckerei mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern betreibt, beschäftigt.
Ab ca. Mitte April 2009 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Bei Überprüfung seiner Lohnabrechnung für Juni 2009 stellte er fest, dass die Beklagte für die Zeit vom 02. bis 20. Juni 2009 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet hatte. Die AOK hatte dem Kläger mitgeteilt, ihm stehe wegen einer am 25.05.2009 beginnenden Arbeitsunfähigkeit noch Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen die Beklagte bis zum 26.06.2009 zu.
Über das Bestehen dieses Entgeltfortzahlungsanspruchs des Klägers fand auf dessen Wunsch am 14.07.2009 gegen 13:30 Uhr zwischen dem Kläger und dem Betriebsleiter und Prokuristen der Beklagten Ko. ein Gespräch statt, an dem auch der Vorsitzende des Betriebsrats O. teilnahm. Das Gespräch dauerte ca. 20 Minuten. Der genaue Verlauf des Gesprächs ist streitig.
Ca. eine Stunde nach Beendigung des Gesprächs rief der Kläger beim Geschäftsführer Kr. der Beklagten an und teilte diesem mit, Herr Ko. wolle ihm sein Geld nicht bezahlen.
Mit Schreiben vom 16.07.2009, dem Kläger am selben Tag im Betrieb übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2009. Im Anschluss hieran bat der Kläger um ein Gespräch mit Herrn Ko., in dem der Kläger sich entschuldigte. Herr Ko. nahm die Entschuldigung nicht an.
Der Kläger hat vorgetragen: Auf Nachfrage nach den Gründen für seine Lohnkürzung sei Herr Ko. in dem Gespräch am 14.07.2009 unsachlich geworden. Er habe erklärt, nach seinen Notizen und Zeiten für die Krankheitszeiträume im Juni 2009 habe keine Lohnfortzahlungspflicht mehr bestanden. Ihm, dem Kläger, sei vorgeworfen worden, er würde seine Krankheitszeiten vorplanen und das akzeptiere Herr Ko. nicht mehr. Erläuterungen zu den unterschiedlichen Auffassungen der Beklagten und der AOK über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltfortzahlung seien nicht erfolgt. Da er den Eindruck gehabt habe, Herr Ko. höre ihm nicht zu, sei er mit der Stimme etwas lauter geworden. Er sei auch erregt gewesen und habe seinen persönlichen Eindruck vorgebracht, wonach mit Herrn Ko. für den Betrieb und die Mitarbeiter keine Vorteile erzielt würden. Herr Ko. habe daraufhin das Gespräch beendet und sei aus dem Zimmer gegangen. Er, Kläger, habe darauf vor sich hin gesagt, dass das Verhalten des Herrn Ko. ihm gegenüber dem eine „Arschlochs” ähnele.
Die Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung noch die hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 16.07.2009 beendet wird,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Herr Ko. habe dem Kläger erklärt, dass die Beklagte im Hinblick auf die Entgeltfortzahlungsverpflichtung anderer Auffassung sei als die AOK. Dabei
sei er ständig vom Kläger unterbrochen worden, bis der Betriebsratsvorsitzende den Kläger aufgefordert habe, Herrn Ko. ausreden zu lassen. Herr Ko. habe geäußert, dass in der Lage der Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit und der Unterbrechungen durch Urlaub und kurze Arbeitsphasen ein gewisses System erkennbar sei, dass nämlich alle Zeiträume und die Unterbrechungen ineinander griffen. Hierfür habe es Indizien gegeben. Der Kläger habe dann von seiner persönlichen Belastung geredet und sei dabei immer lauter geworden. Schließlich habe er Herrn Ko. persönlich angegriffen und erklärt, dieser schade dem Unternehmen und den Mitarbeitern. Darauf habe Herr Ko. erklärt, das Gespräch sei für ihn beendet. Als Herr Ko. das Zimmer verlassen habe, habe der Kläger lautstark zu Herrn O. gesagt: „Das ist ein Arschloch”.
Am 15.07.2009 sei der Betriebsrat auf seiner turnusmäßigen...