Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung des Rechtsgedanken des Schutzes des Mindestlohns auf Urlaubsabgeltungsansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht "mindestlohnwirksam" i. S. d. § 3 S. 1 MiLoG. Seine Anwendung zur Absicherung einer Abgeltung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohnes ist rechtlich nicht geboten.

 

Normenkette

MiLoG § 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.12.2018; Aktenzeichen 3 Ca 4016/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.12.2018, 3 Ca 4016/18, wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 33 Urlaubstage.

Die Klägerin war bei der Beklagten, die ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, seit dem 01.05.2007 als Reinigungskraft zu einem Stundenlohn von 9,80 € brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28.06.2011 in der Fassung vom 08.07.2014 (im Folgenden: RTV) Anwendung.

§ 23 RTV regelt hinsichtlich der Ausschlussfristen Folgendes:

"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 31.01.2018. Die Klägerin war seit Dezember 2016 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher den ihr zustehenden Urlaub seit dem Jahr 2016 nicht nehmen.

In der Verdienstabrechnung für den Monat Januar 2018 rechnete die Beklagte als an die Klägerin zu zahlenden Betrag eine Abfindung in Höhe von 3.497,50 € brutto ab. In der Rubrik "Url.Anspr." waren 33 Tage ausgewiesen. Ein entsprechender Urlaubsabgeltungsbetrag war in der Abrechnung nicht ausgewiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.04.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter anderem die Abgeltung von 33 Urlaubstagen geltend.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit der Verdienstabrechnung für den Monat Januar 2018 die ausgewiesenen 33 Urlaubstage unstreitig gestellt mit der Folge, dass eine Geltendmachung der Urlaubsabgeltung für diese Tage innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist nicht erforderlich gewesen sei. Ihr stehe daher eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.587,20 € brutto (33 Urlaubstage x 8 Stunden x 9,80 €) zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.587,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist berufen und dazu die Auffassung vertreten, eine Lohnabrechnung habe nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Erst recht ergebe sich aus der Abrechnung nicht, dass der Arbeitgeber auf die zukünftige Einwendung des Erlöschens des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf verzichten wolle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 23 RTV verfallen sei. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterfalle als reiner Geldanspruch den Bedingungen, die nach dem anwendbaren Tarifvertrag für die Geltendmachung von Geldansprüchen vorgeschrieben seien. An diesem Grundsatz habe sich durch die Einführung von § 3 MiLoG nichts geändert. Dieser sei nicht unmittelbar auf Urlaubsabgeltungsansprüche anwendbar, denn für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründe das Mindestlohngesetz keine Ansprüche. Anders als für Entgeltfortzahlungsansprüche lasse sich auch nicht argumentieren, dass das MiLoG die Bedingungen der Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs mittelbar doch präge. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei ein reiner Geldanspruch, der gerade nicht davon abhänge, ob dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt und vergütet werden könne. Der Gedanke, dass die Gleichstellung der Entgeltansprüche im Urlaub mit Zeiten geleisteter Arbeit sicherstellen solle, dass der Arbeitnehmer wegen drohender finanzieller Nachteile nicht davon abgehalten werde, Urlaub zu nehmen, habe für den Urlaubsabgeltungsanspruch keine Relevanz. Damit stehe aber auch der Anwendbarkeit des § 23 RTV auf die Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin nichts entgegen. Die tarifliche Ausschlussfrist sei mit dem Schreiben vom 19.04.2018 nicht eingehalten worden. Es sei der Beklagten auch nicht verwehrt, sich auf d...

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