Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz und einmonatige Ausschlussfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Keine Erfassung von Mindestlohnansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussklausel. Urlaubsabgeltung und Mindestlohn
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Ausschlussfrist, die im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis die Geltendmachung in Textform spätestens einen Monat nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vorsieht, verletzt nicht das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
2. Eine tarifliche Ausschlussfrist, die die Geltendmachung des Mindestlohnes nicht ausdrücklich ausnimmt, ist insoweit unwirksam.
3. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht mindestlohnwirksam im Sinne des § 3 S. 1 MiLoG.
Normenkette
MiLoG § 3 S. 1; BUrlG § 7 Abs. 4; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 19.04.2018; Aktenzeichen 4 Ca 2349/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 19.04.2018 - 4 Ca 2349/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Anspruch.
Der 1974 geborene Kläger war vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 19.09.2014. In diesem heißt es unter § 15:
Für dieses Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen, die Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung und der Tarifvertrag der chemischen Industrie. Die Regelungen des Tarifvertrages gelten nur so lange, wie für den Arbeitgeber der Tarifvertrag der chemischen Industrie Anwendung findet.
§ 16 des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie vom 24.06.1992 in der Fassung vom 02.02.2016 regelt:
1. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die richtige und vollständige Abrechnung von Vergütungen für Schicht-, Mehr-, Nach-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie bei Barzahlungen die Übereinstimmung des in der Abrechnung genannten Betrages mit der tatsächlichen Auszahlung unverzüglich zu überprüfen.
2. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist.
3. Im Falle des Ausscheidens müssen die Ansprüche beider Seiten spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Textform geltend gemacht werden.
4. Wird ein Anspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, muss er spätestens einen Monat nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden.
5. Die genannten Ausschlussfristen gelten nicht für beiderseitige Schadensersatzansprüche sowie für beiderseitige nachwirkende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.
Zuletzt erzielte der Kläger ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.452,00 €.
Im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führten die Parteien vor dem Arbeitsgericht Iserlohn einen Rechtsstreit aufgrund einer am 20.10.2016 eingegangenen Klage. Durch Urteil vom 06.04.2017 (4 Ca 1826/16) wurde die Klage abgewiesen. Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.10.2017 wurde diese Entscheidung bestätigt (11 Sa 687/17).
Mit Schreiben vom 04.12.2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Abgeltung von 23 Urlaubstagen nebst Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubsentgeltes geltend. Die Höhe der Forderung berechnete der Kläger wie folgt.
2.452,00 € x 3 Monate = 7.356,00 €: 13 Wochen: 5 Tage = 113,17 €/Tag mal 23 Urlaubstage = 2.602,91 €. Zusätzlich begehrt er die Zahlung eines Urlaubsgeldes von 50% = 1.301,46 €, insgesamt 3.903,46 €. Hieraus lässt er sich eine Teilzahlung der Beklagten vom 23.05.2016 in Höhe von 613,50 € anrechnen. Die Beklagte reagierte auf die Geltendmachung nicht.
Mit seiner am 28.12.2017 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgte der Kläger seine Zahlungsansprüche weiter.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.290,87 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Forderung sei nach tarifvertraglichen Vorschriften verfallen. Sie hat darauf verwiesen, dass der Kläger unstreitig bereits einen Tag Urlaub im Jahr 2016 genommen habe und das anteilige Urlaubsgeld unstreitig nur 460,12 € betrage, so dass eine Überzahlung stattgefunden habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 31 - 32 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das ihm am 24.04.2018 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 22.05.2018 bei Gericht eingegangenen Berufung, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07....