Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Betriebsübergang mangels Geschäftsübernahme. Wet-Lease als Betriebsteil. Keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch verbotene Arbeitnehmerüberlassung. Keine Fiktion nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG wegen zulässigem drittbezogenen Einsatz von Arbeitnehmern. Wet-Lease-Vereinbarung nicht per se Arbeitnehmerüberlassung. Kein Gestaltungsmissbrauch zur gesetzwidrigen Umgehung der Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (amtlich)

Teil einer Massensache in Zusammenhang mit der Insolvenz einer Luftfahrtgesellschaft, vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. August 2021 - 4 Sa 107/21 -, juris, dort vollständig dokumentiert. Inhaltsangabe: Entscheidung über Kündigung und Betriebsübergang in Zusammenhang mit der Insolvenz einer Luftfahrtgesellschaft..

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 613a Abs. 1 S. 1; ZPO § 97 Abs. 1, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.11.2020; Aktenzeichen 15 Ca 4102/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.09.2022; Aktenzeichen 9 AZR 90/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.11.2020 - 15 Ca 4102/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Nach Rücknahme der Berufung gegenüber dem Beklagten zu 1) streiten die Parteien im Berufungsrechtszug zuletzt noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klagepartei aufgrund eines Betriebsübergangs oder aber aufgrund verbotener Arbeitnehmerüberlassung mit der Beklagten zu 2) (fort-) besteht.

Der ursprüngliche Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschaft X. mbH (im Folgenden: Schuldnerin), einer deutschen Fluggesellschaft mit zuletzt ca. 348 Mitarbeitern im Bereich Boden, Cockpit und Kabine. Ihr Geschäftssitz war Berlin. Eine Arbeitnehmervertretung war nur für den Bereich Cockpit gebildet. Die Beklagte zu 2) ist eine Fluggesellschaft des M.-Konzerns mit ca. 9.000 Mitarbeitern und Sitz in Düsseldorf.

Die Klagepartei war seit dem 05.01.2015 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages, wegen dessen Inhalt auf die mit der Klageschrift zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird, bei der Schuldnerin als Mitarbeiterin im Bereich Kabine und dort zuletzt als Flugbegleiterin mit Zusatzfunktionen zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 2.486,97 Euro beschäftigt. Sie war am Flughafen Stuttgart stationiert.

Die Schuldnerin trat nicht eigenständig am Markt als Anbieter von Flugreisen gegenüber Endkunden auf, sondern betrieb Flüge im Wet-Lease auf der Grundlage sog. ACMIO-Verträge (Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead). Dabei stellte sie ein Flugzeug (Aircraft) nebst Besatzung (Crew), Wartung (Maintenance), Versicherung (Insurance) und Betriebskosten (Overhead) einer anderen Fluggesellschaft für deren Flugstrecke zur Verfügung, wobei Flugzeuge und Besatzung nach außen wahrnehmbar, etwa durch die Lackierung des Flugzeugs und die Uniformen des Kabinenpersonals, dem Auftraggeber zugeordnet sind und gegenüber den Fluggästen lediglich ein Hinweis auf den im Wet-Lease operierenden Dienstleister erfolgt. Über eigene Flugzeuge verfügte die Schuldnerin nicht, sondern leaste sie ihrerseits von Dritten im sog. Dry-Lease. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Schuldnerin nicht.

Die Schuldnerin flog in diesem Wet-Lease-Geschäftsmodell zunächst ausschließlich für das Luftverkehrsunternehmen Air A. PLC und Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air A.). Hierzu leaste sie jedenfalls 15 Flugzeuge des Typs Dash 8 Q400 (im Folgenden: Dash) im Wege des Dry-Lease, sei es von Air A., sei es von der Deutschen M. AG (im Folgenden E. AG) bzw. Konzernunternehmen der M.. Im Jahr 2008 erwarb Air A. die Geschäftsanteile der Schuldnerin, Anfang 2017 wurden diese von der Komplementärin der Air A. übernommen. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Air A. im August 2017 erwarb die M. Commercial Holding GmbH (im Folgenden M. GmbH), eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG, die Geschäftsanteile an der Schuldnerin mit Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 13.10.2017.

Am 25.10.2017 schloss die Schuldnerin als Leasinggeber mit der Beklagten zu 2) als Leasingnehmer einen ACMIO Rahmenvertrag (im Folgenden ACMIO RV). In diesem hieß es u.a.:

"IN ANBETRACHT DER TATSACHE, DASS

(A) der Leasinggeber beabsichtigt, eine bestimmte kommerzielle Fahrgastbeförderung für den Leasingnehmer auf Grundlage von ACMIO (wet lease1) wie nachstehend dargestellt durchzuführen und dass der Leasingnehmer beabsichtigt, diese Leistungen des Leasinggebers anzunehmen, und dass

(B) die Vertragsparteien einen oder mehrere ACMIO Kurzverträge über die Erbringung von Leistungen in Erwägung ziehen, wobei diese Vereinbarungen dann den hierin und in Anlage 1 (Kurzform ACMIO) genannten Bedingungen unterliegen (um Missverständnisse zu vermeiden, sind sämtliche Kurzform-ACMIOs Bestandteil dieses Vertrages),

WIRD NUNMEHR FOLGENDES VEREINBART:

1. Begriffsbestimmungen und Aus...

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