Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall von Bereitschaftszeiten bei Hausmeistertätigkeit in Schule. Unerheblicher Anteil von Bereitschaftszeiten bei Überstunden eines Schul-Hausmeisters. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers für Unerheblichkeit eines Anteils von Bereitschaftszeiten. Verhältnis von Überstunden und Bereitschaftszeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Den Regelungen des Abschnitts A des Anhangs zu § 9 TVöD-V VKA bzw. des Teils V Nr. 2 § 1 TVöD NRW liegt der Erfahrungssatz und die Grundannahme der Tarifvertragsparteien zugrunde, dass bei Schulhausmeistern typischerweise regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen (Anschluss an BAG vom 17.12.2009 - 6 AZR 729/08, Rz. 32 und Abgrenzung zu BAG vom 30.10.2019 - 6 AZR 16/19, Rz. 36).
2. Macht demgegenüber ein Überstundenvergütung einklagender Schulhausmeister geltend, in seinem Arbeitsverhältnis fielen regelmäßig nur in unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten an, trägt er für diese Behauptung die Darlegungs- und Beweislast.
3. Der nicht unerhebliche Umfang anfallender Bereitschaftszeiten beträgt regelmäßig 25%. In diesem Umfang können mithin in der Regel bei Schulhausmeistern die täglichen Dienstzeiten faktorisiert und damit (nur) zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet werden.
4. Legt der Arbeitgeber hingegen darüber hinaus einen Anteil von 33% an regelmäßig anfallenden Bereitschaftszeiten zugrunde und faktorisiert in diesem Umfang die täglich anfallenden Dienstzeiten, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung eines über 25% hinaus zu berücksichtigenden Bereitschaftszeitanteils. Kommt er seiner Darlegungs- und Beweislast insoweit nicht nach, ist die über 25% der täglichen Dienstzeit hinausgehende Arbeitszeit als Vollarbeit zu werten und resultiert daraus ein entsprechender Überstundenvergütungsanspruch des Arbeitnehmers.
Normenkette
ZPO §§ 138, 286; TVöD-V VKA § 6; TVöD-V VKA § 7; TVöD-V VKA § 8; TVöD-V VKA § 9; TVöD-NRW Teil V Nr. 2 § 1; ArbGG § 64 Abs. 4; BGB §§ 286, 288
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 03.12.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1502/21) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 03.12.2021 - Az.: 4 Ca 1502/21 - teilweise abgeändert und - unter Klageabweisung im Übrigen - die Beklagte verurteilt,
- an den Kläger für den Monat Februar 2021 den Betrag von 300,68 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat März 2021 den Betrag von 271,58 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat April 2021 den Betrag von 305,57 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat Mai 2021 den Betrag von 305,57 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat Juni 2021 den Betrag von 305,57 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen;
- an den Kläger für den Monat Juli 2021 den Betrag von 305,57 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2021 zu zahlen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 15% und der Kläger zu 85%, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 86% und die Beklagte zu 14%.
IV.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug zuletzt noch über Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Februar bis Juli 2021 und dabei über die Frage, ob und in welchem Umfang Beschäftigungszeiten des Klägers wegen darin enthaltener Bereitschaftsdienstzeiten nur faktorisiert mit einem Anteil von 50% als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten sind.
Der Kläger ist bei der beklagten Kommune seit 24.05.1993 als Schulhausmeister beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V VKA) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger ist in EG 5, Stufe 6 TVöD VKA eingruppiert und bezieht von der Beklagten ein monatliches Grundentgelt von - im Streitzeitraum - 3.077,85 € brutto bis 31.03.2021 und 3.127,85 € brutto ab 01.04.2021 sowie eine monatliche Zulage.
Die Beklagte beschäftigt den Kläger in einem arbeitstäglichen Arbeitszeitrahmen Montag bis Freitag von 06:30 Uhr bis 16:21 Uhr, in dem jeweils eine halbstündige Pause enthalten ist, wöchentlich 46,75 Stunden, wobei sie 31,25 Stunden als volle Arbeitszeit vergütet und 15,5 Stunden als Bereitschaftszeit faktorisiert zur Hälfte. Dementsprechend rechnete die Beklagte das Entgelt des Klägers wie aus den Abrechnungen der Monate Febr...