Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung bei Altersrente. Diskriminierung wegen des Alters

 

Leitsatz (amtlich)

Die Betriebsparteien können in Sozialplänen Arbeitnehmer, die im Anschluss an die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ungekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können, zumindest dann von den im Sozialplan vorgesehenen Abfindungsleistungen ausschließen, wenn ihnen ein – gegebenenfalls auch geringer – finanzieller Ausgleich zugebilligt wird. Hieran hat sich durch die Entscheidung des EuGH vom 12.10.2010 – C-499/08 – in Sachen Andersen nichts geändert. Die dort für eine gesetzliche Abfindungsregelung aufgestellten Grundsätze sind auf Sozialpläne nicht übertragbar. Ob ein vollständiger Ausschluss von Sozialplanleistungen zulässig ist, bleibt unentschieden.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1; AGG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 10 S. 3 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Urteil vom 29.10.2010; Aktenzeichen 2 Ca 852/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 29.10.2010 – Az.: 2 Ca 852/10 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 5.000,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 29.12.2010 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 95 %, die Beklagte zu 5 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 96 %, die Beklagte zu 4 %.

IV. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen und für die Beklagte nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Die am 15.01.1947 geborene, alleinstehende, mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Klägerin war in der Zeit vom 01.09.1985 bis zum 31.10.2010 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie war zuletzt als Bezirksleiterin tätig und verdiente monatlich durchschnittlich 3.600.– EUR brutto.

Die Beklagte schloss mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat unter dem 05.11.2009 einen Sozialplan ab, der u. a. Abfindungsregelungen vorsah. Ausweislich einer Protokollnotiz vom 04.11.2009 (Bl. 159 d. A.) beträgt das Abfindungsvolumen 6,8 Mio Euro. Im Sozialplan, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 154 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:

㤠1 Zweck

1.1 Dieser Sozialplan regelt den Ausgleich bzw. die Milderung der Nachteile, die den Arbeitnehmern auf Grund der Maßnahmen entstehen, die Bestandteil des Interessenausgleichs „Schließung des Sammelbestellers-Außendienst (SB-AD)” vom heutigen Tage sind.

§ 2 Abfindung

2.1 Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf Grund der in § 1 dieses Sozialplans genannten Maßnahmen endet, sei dies infolge einer betriebsbedingten Kündigung oder einer betrieblich veranlassten Beendigungsvereinbarung, haben Anspruch auf eine Abfindung.

2.2 Die Abfindung berechnet sich nach folgender Formel:

(Bruttoentgelt × Betriebszugehörigkeit × Lebensalter) dividiert durch 60

2.5 Maximal beläuft sich die Abfindung auf den Betrag, den der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis bis zum frühest möglichen Zeitpunkt des Anspruchs auf gesetzliche ungekürzte Altersrente brutto verdient hätte.

§ 3 Sonderregelung für rentennahe Arbeitnehmer

3.1 Arbeitnehmer, die bei Ausschöpfung des gesetzlich höchstmöglichen Arbeitslosengeldanspruchs nahtlos einen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, haben keinen Anspruch auf eine Abfindung nach § 2 dieses Sozialplans.

Auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldanspruches kommt es insoweit nicht an.

3.2 Für Abschläge aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge eines vorzeitigen Bezuges von Altersruhegeld wird eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 270 Euro brutto pro 0,1 % Rentenminderung gezahlt.

§ 4 Sozialzuschläge

4.1 Schwerbehinderte Menschen und Gleichgestellte im Sinne des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) erhalten für den Grad der Behinderung bis 50 Prozent zusätzlich zu der Abfindung einen Betrag von 5.000.00 Euro brutto; für jede weitere 10 Grad der Behinderung steigt dieser Betrag um jeweils 1.000.00 Euro brutto (jeweils Basis Vollzeit / Teilzeitbeschäftigte anteilig).

§ 6 Entstehung, Vererblichkeit und Fälligkeit des Abfindungsanspruches

6.1 Der Anspruch auf die Sozialplanabfindung entsteht mit Zugang der betriebsbedingten Kündigung bzw. Abschluss der betrieblich veranlassten Beendigungsvereinbarung; der Anspruch ist ab diesem Zeitpunkt vererblich.

6.2 Der Anspruch auf die Sozialplanabfindung ist fällig am 31. Januar 2010.

Die Fälligkeit ist im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder einer Klage gegen die Wirksamkeit einer Beendigungsvereinbarung bis zu einer Klagerücknahme oder einer rechtskräftigen Abweisung der Klage gehemmt.

…”

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16.03.2010 betriebsbedingt zum 31.10.2010 und teilte der Klägerin im Kündigungsschreiben mit, sie erhalte...

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