Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Betriebsvereinbarungen. Abgrenzung zwischen festgelegter Betriebsrentenanpassung und Ermessensentscheidung des Arbeitgebers. Entfall einer Betriebsrentenanpassung nur bei unvertretbarer Belastung des Versorgungsschuldners

 

Leitsatz (amtlich)

Anpassung der Betriebsrente auf der Grundlage einer betrieblichen Versorgungsordnung (Abweichung von Hessischem Landesarbeitsgericht 22.02.2017 - 6 Sa 972/16)

 

Normenkette

BVW-A § 6; BetrAVG § 16 Abs. 1; BGB § 310 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 07.12.2016; Aktenzeichen 4 Ca 2409/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen 3 AZR 1/18)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 07.12.2016 - 4 Ca 2409/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die gezahlte Vofue-Rente von monatlich 533,23 Euro brutto hinaus weitere 8,48 Euro monatlich brutto, beginnend ab dem 31.07.2015 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 75 % und der Beklagten zu 25 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger und der Beklagten je zur Hälfte auferlegt.
  3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird sie nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers zum 01.07.2015.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen H. Konzern eingebunden ist. Sie ist Rechtsnachfolgerin der W. Deutsche Lebensversicherung AG (im Folgenden: W.), die auf die Beklagte verschmolzen wurde. Die Eintragung erfolgte am 29.12.2008 (HRB 40187 Amtsgericht I.). Muttergesellschaft der Beklagten ist die H. Deutschland AG. Neben der Beklagten gibt es als weitere Versicherungsgesellschaft die H. Versicherung AG. Der am 30.12.1952 geborene Kläger war bis zum 30.06.2008 bei der W. beschäftigt.

Nach den Regelungen des betrieblichen Versorgungswerks, die auf den Kläger anwendbar waren, hatte er Anspruch auf eine Gesamtversorgung, die sich aus Rentenleistungen der konzerneigenen Versorgungskasse (im Folgenden VK-Altersrente - der später verwandte Begriff PK-Rente wird aus Vereinfachungsgründen nicht gebraucht) und einer Direktzusage (Pensionsergänzung, im Folgenden Vofue-Rente) zusammensetzte. Die Leistungen der VK-Altersrente wurden durch die nach dem Geschäftsplan der Versorgungskasse gutzuschreibenden Überschussanteile gesteigert. Geregelt wurde die Zahlung der Vofue-Rente in der Gesamtbetriebsvereinbarung "Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerks", bestehend aus den "Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks" (im Folgenden BVW), den "Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks" (im Folgenden BVW-A) und den "Übergangsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks" (im Folgenden BVW-Ü).

In den BVW hieß es u.a.:

"§ 1 Zweck des Pensionsergänzungsfonds

Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen bzw. ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solange die in den Ausführungsbestimmungen näher bezeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistungen der Versorgungskasse zusammen die Gesamtversorgungsbezüge gemäß § 4 der Ausführungsbestimmungen nicht erreichen.

...

§ 2 Berechtigter Personenkreis

...

3. Auf die Leistungen des Pensionsergänzungsfonds besteht ein Rechtsanspruch, der nur durch die in den Ausführungsbestimmungen enthaltenen Widerrufsvorbehalte eingeschränkt ist.

In den In den BVW-A hieß es u.a.:

§ 5Zusammensetzung der Versorgungsbezüge

1. Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge sind:

Erreichen die nachstehenden Leistungen zusammen in der Höhe nicht die erworbenen Gesamtversorgungsansprüche, wird eine Pensionsergänzungszahlung fällig.

1.1. Die Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Renten individuell zu kürzen, so gilt die ungekürzte Rente als Bestandteil der Gesamtversorgung (z.B. familienrechtlicher Versorgungsausgleich)

1.2. Die Renten aus der freiwilligen Höherversicherung bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit für sie ein freiwilliger Firmenzuschuss seitens der V. geleistet wurde

...

1.6. Rentenleistungen der Versorgungskasse und die ihnen gleichgestellten sonstigen betrieblichen Versorgungsleistungen.

§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 § § 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Z...

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