Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten aufgrund einer Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Versorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).

3. Weiterhin ergibt die Auslegung der Versorgungsordnung, dass nicht nur die Pensionsergänzung, sondern die Gesamtversorgungsbezüge gemäß der Entwicklung der gesetzlichen Renten anzupassen sind. Dies bezieht auch die Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Pensionskasse mit ein.

4. Begehrt ein Arbeitnehmer eine Anpassung seiner Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG zu einem falschen Anpassungsstichtag, so darf die Anpassung zum richtigen Anpassungsstichtag nicht von Amts wegen geprüft werden. Hierin läge ein Verstoß gegen § 308 ZPO, da die Anpassungsprüfung zu einem anderen Stichtag einen neuen Streitgegenstand beinhaltet.

 

Normenkette

BetrAVG § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 20.04.2017; Aktenzeichen 5 Ca 1764/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen 3 AZR 129/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 20.04.2017 - AZ: 5 Ca 1764/16 - teilweise abgeändert.

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den Betrag von 776,41 EUR brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats, beginnend mit dem 01.01.2018, einen Betrag in Höhe von 51,45 EUR brutto zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 33,12 EUR brutto zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 96,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 5,24 EUR seit dem 02.07.2014, dem 02.08.2014, dem 02.09.2014, dem 02.10.2014, dem 04.11.2014, dem 02.12.2014, dem 03.01.2015, dem 03.02,2015, dem 03.03.2015, dem 02.04.2015, dem 05.05.2015 sowie dem 02.06.2015 zu zahlen.
    4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 263,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 19,08 EUR seit dem 02.07.2015, dem 04.08.2015, dem 02.09.2015, dem 02.10.2015, dem 03.11.2015, dem 02.12.2015, dem 05.01.2016, dem 02.02.2016, dem 02.03.2016, dem 02.04.2016, dem 03.05.2016 sowie dem 02.06.2016 zu zahlen.
    5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 617,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 48,46 EUR seit dem 02.07.2016, dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 05.10.2016, dem 03.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017, dem 02.02.2017, dem 02.03.2017, dem 04.04.2017, dem 03.05.2017 sowie dem 02.06.2017 zu zahlen.
    6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 308,70 EUR brutto zu zahlen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 35% und die Beklagte zu 65% zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Soweit die Klägerin unterlegen ist, erfolgt keine Zulassung der Revision.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Anpassung der Versorgungsbezüge der Klägerin zum 01.07.2013, 01.07.2014, 01.07.2015 und 01.07.2016.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen H. Konzern eingebunden ist. Sie ist Rechtsnachfolgerin der W. Deutsche Lebensversicherung AG (im Folgenden: W.). Muttergesellschaft der Beklagten ist die H. Deutschland AG. Neben der Beklagten gibt es als weitere Versicherungsgesellschaft die H. Versicherung AG.

Die am 12.03.1950 geborene Klägerin war in der Zeit vom 15.10.1978 bis zum 31.12.2003 bei der W. beschäftigt. Seit dem 01.04.2010 bezieht die Klägerin von der Beklagten eine Betriebsrente.

Die Klägerin erhält zum einen Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Versorgungskasse, die sog. VK-Altersrente. Daneben war ihr eine Altersversorgungszusage auf Basis eines im Wege einer Gesamtbetriebsvereinbarung vereinbarten Versorgungswerks als sog. Pensionsergänzung (im Folgenden: Vofue-Rente) erteilt worden. Diese "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (im Folgenden BVW) setzen sich zusammen aus den "Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks", den "Aus...

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