Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf von Versorgungsleistungen, Rechtsmissbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall zur Frage, ob eine Versorgungszusage wegen Rechtsmissbrauchs widerrufen werden kann. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen. Bei besonderen Beweisschwierigkeiten kann vom Prozessgegner das substantiierte Bestreiten negativer Tatsachen verlangt werden.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 28.01.2008; Aktenzeichen 3 Ca 2330/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.11.2012; Aktenzeichen 3 AZR 444/10)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts T. vom 28.01.2008 – 3 Ca 2330/06 – wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der von der Beklagten mit Schreiben vom 14.11.2005 erklärte Widerruf der Anwartschaft auf Versorgungsleistungen aus dem Vertrag über die Pensionszusage zugunsten des Klägers vom 01.01.1985 unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aufgrund einer Versorgungszusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Betriebsrente zu zahlen.

Der Kläger ist am 25.12.1946 geboren. Er wurde zum 01.01.1973 von der N1. Marketing GmbH in L. (später N1. GmbH) als Leiter des Kundendienstes Deutschland eingestellt. Mit Wirkung vom 29.10.1975 wurde ihm Prokura erteilt. Seit dem 01.09.1982 war er als Technischer Direktor Deutschland auch Mitglied der Geschäftsleitung. Zum 01.01.1989 wurde sein Verantwortungsbereich um den Bereich Logistik (Lager und Versand) vergrößert. Anfang 1991 wurde die S. L1. GmbH & Co. KG, T. in den Konzern integriert, dem die N1. GmbH angehörte. Der Kläger übernahm zusätzlich die Leitung des Kundendienstes dieses Unternehmens in T. 1997 verlagerte die N1. GmbH ihren Sitz von L. nach T. Sie wurde 1999 mit der L1. GmbH & Co. KG verschmolzen und in L1. GmbH, die Beklagte, umbenannt. Seit dem 28.03.2000 war der Kläger nicht mehr verantwortlich für den Bereich Technik, ab Februar 2001 wurde er freigestellt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.2001.

Die N1. GmbH erteilte dem Kläger mit Wirkung zum 01.01.1985 eine Pensionszusage. Danach ist ihm eine Betriebsrente in Höhe von 40 % der bei seinem Ausscheiden erreichten pensionsberechtigten Bezüge für die Zeit nach Vollendung des 63. Lebensjahres zugesagt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf diese Bezug genommen (Bl. 3 – 9 d. A.).

Mit Schreiben vom 14.11.2005 erklärte die Beklagte dem Kläger, sie widerrufe gemäß Punkt 7.1 der Pensionsurkunde seine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen. In der von der Beklagten herangezogenen Bestimmung der Versorgungszusage heißt es, dass das Unternehmen berechtigt ist, die Zahlung der Versorgungsleistungen einzustellen oder die Anwartschaft auf Versorgungsleistungen zu widerrufen, wenn der Inhaber dieser Urkunde bzw. der Empfänger von Versorgungsleistungen Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden.

Die Beklagte stützt den Widerruf auf vier Sachverhaltskomplexe, die sie selbst als „Rollkarte machen”, „i.” bzw. „I1.”, „N2.” und „S. & I.” bezeichnet hat.

Die N1. GmbH verkaufte ebenso wie die Beklagte Haushaltsgeräte, die von der französischen Muttergesellschaft der N1. GmbH geliefert wurden. Wurden Geräte wegen eines Defekts vom Käufer oder Händler zurück gesandt (sog. Retouren), übernahmen Arbeitnehmer im Zuständigkeitsbereich des Klägers, soweit möglich, die Aufarbeitung. Nach der Aufarbeitung wurden die Geräte als A-Geräte (verkaufsfähige Neugeräte) oder B-Geräte klassifiziert. In erster Linie entschied der Kläger darüber, ob ein Gerät der Kategorie A oder B zugeordnet wurde. Falls er verhindert war, erledigten dies andere Arbeitnehmer. Es existierte ein A-Lager für die A-Geräte und ein B-Lager für die B-Geräte.

Der Kläger und die Mitarbeiterin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, Frau N4., waren Mitglied des Reitvereins „L. X.”. Dessen Vorsitzender war Herr T1., der u. a. einen Pferdeausbildungsbetrieb hatte. Dieser war auch Kunde der Fa. N1.. Er kaufte dort Staubsauger, die er zu Pferdeputzgeräten umbaute. Die Beklagte hat Kopien von Rechnungen vorgelegt, die unter dem Briefkopf des Herrn T1. erstellt wurden. Danach lieferte dieser den Industrievertretungen N. N3. laut Bestellung vom 17.01.1984 zwei Paletten Elektrogeräte à DM 2.750,–, laut Bestellung vom 05.03.1984 drei Paletten Elektrogeräte à DM 3.189,73, laut Bestellung vom 19.03.1984 drei Paletten Elektrogeräte à DM 2.085,33, laut Bestellung vom 28.06.1984 drei Paletten Elektrogeräte à DM 4.399,–, laut Bestellung vom 13.07.1984 drei Paletten Elektrogeräte à DM 2.622,–, laut Bestellung vom 14.09.1984 drei Paletten Elektrogeräte à DM 4.261,33, laut Bestellung vom 12.11.1984 zwei Paletten Elektrogeräte à DM 4.949,50, laut Bestellung vom 22.11.1984 vier Paletten Elektrogeräte à DM 5.400,50, laut Bestellung vom 04.01.1985 ...

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