Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Tarifnorm aus dem Jahr 1995, die hinsichtlich der Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall auf die nicht mehr geltenden Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes bzw. des § 616 Abs. 2 BGB Bezug nimmt und zusätzlich einen, Zuschuß zum Krankengeld ab der 7. Krankheitswoche, um 100 % des Nettoentgelts zu erreichen, regelt, stellt eine eigenständige Tarifnorm mit konstitutivem Charakter dar. Hieraus ergibt sich ein Anspruch auf ungekürzte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 12.03.1997; Aktenzeichen 2 Ca 268/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.07.1998; Aktenzeichen 5 AZR 456/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.03.1997 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach – 2 Ca 268/97 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet als Haustarifvertrag der Manteltarifvertrag vom 11.05.1995 Anwendung, den die Beklagte mit der Gewerkschaft Nahrung. Genuß, Gaststätten abgeschlossen hat. § 9 dieses Manteltarifvertrages lautet auszugsweise – soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang – wie folgt:

§ 9

Arbeitsversäumnis in Krankheitsfällen

  1. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit … hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung seiner Bezüge nach Maßgabe des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle vom 27. Juli 1969 bzw. des § 616 Abs. 2 BGB (das sind sechs Wochen).
  2. Bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit wird dem Arbeitnehmer über die 6-wöchige Entgeltzahlung hinaus nach einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahren ein Zuschuß zum Krankengeld in Höhe des Differenzbetrages zwischen Krankengeld und 100 % des Nettoentgeltes für die Dauer von zwei Wochen und nach einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren ein Zuschuß in derselben Höhe für weitere zwei Wochen – insgesamt also für vier Wochen – gezahlt ….
  3. Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder einer anerkannten Berufskrankheit, so ist vom Arbeitgeber ab der siebten Krankheitswoche der Unterschiedsbetrag zwischen den Leistungen der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung und dem Nettodurchschnittsverdienst bis zu einer Dauer von sieben Wochen zu zahlen ….

Der Kläger B. ist im November 1996 an 78 Stunden arbeitsunfähig erkrankt gewesen, der Kläger M. im November 1996 an 23 Stunden, der Kläger S. im Dezember 1996 an 172 Stunden und der Kläger G. im Dezember 1996 und Januar 1997 an insgesamt 85 Stunden.

Die Beklagte hat die Krankheitsstunden auf der Grundlage der ab dem 01.10.1996 geltenden Gesetzeslage mit 80 % des regelmäßigen Arbeitsverdienstes bezahlt. Hierdurch haben sich die eingeklagten Differenzen ergeben, die rechnerisch zwischen den Parteien unstreitig sind.

Die Kläger haben ihre Klage darauf gestützt, daß nach ihrer Ansicht der zitierte Manteltarifvertrag eine eigenständige tarifliche Regelung darstelle, die von der gesetzlichen Änderung unberührt bleibe.

Der Kläger B. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 476,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 30.01.1997 zu zahlen; der Kläger M. hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 80,59 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 30.01.1997 zu zahlen;

der Kläger S. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 822,50 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 19.02.1997 zu zahlen;

der Kläger G. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 387,77 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 12.03.1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Haustarifvertrag habe die (jeweilige) gesetzliche Regelung übernommen. Es handle sich um eine rein deklaratorische Verweisung mit der Konsequenz, daß das Gesetz in seiner jeweils gültigen Fassung maßgeblich sei.

Durch Urteil vom 12.03.1997 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach antragsgemäß erkannt, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf DM 1.766,86 festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Parteien des Haustarifvertrages die Anwendbarkeit des nicht mehr geltenden Lohnfortzahlungsgesetzes vereinbart haben. Hierin liege eine statische Verweisung. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Tarifvertragsparteien auf das Entgeltfortzahlungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung hätten abstellen wollen.

Gegen das der Beklagten am 21.03.1997 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 07.04.1997 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 02.05.1997 vorliegenden Schriftsatz begrün...

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