Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Zeiten eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Kurze Inhaltsangabe: Das beklagte Land hat das unbefristete Arbeitsverhältnis mit der schwerbehinderten Klägerin, das weniger als sechs Monate bestand, ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt. Die Klägerin ist Lehrerin für Sonderpädagogik. Die Parteien streiten, ob die Zeit eines vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisses, im Rahmen dessen die Klägerin an einer Schule für Lernbehinderte unterrichtete, und die Zeit des unbefristeten Arbeitsverhältnisses, in dem sie an einer Schule für Geistigbehinderte unterrichtete, zusammenzurechnen sind. Die beiden Arbeitsverhältnisse waren während der Dauer der Sommerferien unterbrochen. LS: Auf die Wartezeit nach § 90 SGB IX sind Zeiten eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber trotz sechswöchiger Unterbrechung anzurechnen, wenn ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ist bei einer Lehrerin für Sonderpädagogik auch dann zu bejahen, wenn der Unterricht zwar an unterschiedlichen Schultypen, aber an Schulen der Schulform Sonderschule erteilt wird.
Normenkette
SGB IX §§ 85, 90
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 10.05.2005; Aktenzeichen 4 Ca 1101/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das am10.05.2005 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal – 4 Ca 1101/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.
Die 1971 geborene schwerbehinderte Klägerin, die für das Lehramt für Sonderpädagogik ausgebildet ist, wurde aufgrund befristeten Arbeitsvertrages vom 10.02.2004, den sie mit dem beklagten Land, vertreten durch das Schulamt für den Oberbergischen Kreis schloss, als nicht vollbeschäftigte Lehrkraft an der Schule für Lernbehinderte in S. eingestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrages nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung, „insbesondere den SR 2y BAT”. Es endete mit Beginn der Schulferien am 21.07.2004. Im Anschluss an die Sommerferien schlossen die Klägerin und das beklagte Land, vertreten durch das Schulamt für die Stadt Wuppertal, einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das Beschäftigungsverhältnis, wonach sie zu Erteilung von Unterricht an öffentlichen Sonderschulen mit 27,5 Wochenstunden eingesetzt wurde, begann am 06.09.2004 und richtete sich ebenfalls nach dem BAT und nach den entsprechenden Runderlassen des Schulministeriums. Die Klägerin wurde an einer Schule für geistig Behinderte in X. eingesetzt.
Mit Schreiben vom 25.02.2005 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis, ohne die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie genieße den Sonderkündigungsschutz des SGB IX, da die Zeiten der beiden Beschäftigungsverhältnisse zusammenzurechnen seien und damit das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung mehr als sechs Monate bestanden habe. Trotz der Unterbrechung durch die Sommerferien sei die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses anzurechnen, weil ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen bestehe. Die Kündigung sei auch wegen fehlender Zustimmung des Personalrats unwirksam, da er nur zu einer Kündigung innerhalb der Probezeit angehört worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung des beklagten Landes vom 25.02.2005, zugestellt am 02.03.2005, nicht zum 31.05.2005 aufgelöst werden wird;
- das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 30. 08. 2004/03.09.2004 weiter zu beschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, eine Zusammenrechnung der Zeiten der beiden Arbeitsverhältnisse müsse nicht erfolgen, weil enger sachlicher Zusammenhang nicht bestehe, da die Klägerin an unterschiedlichen Schultypen bei verschiedenen Trägern und mit unterschiedlichem Stundenkontingent eingesetzt gewesen sei.
Das Arbeitsgericht Wuppertal hat mit Urteil vom 10.05.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im Übrigen verwiesen wird, der Klage stattgegeben. In den Gründen hat es ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich gewesen sei. Zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen habe ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden. Die Klägerin sei an der gleichen Schulform „Sonderschule” eingesetzt und nach BAT II a vergütet worden. Die Bezugnahme auf SR 2y BAT, nach deren Protokollnotiz Nr. 4 Angestellte, die unter Nr. 1 der Sonderregelung fallen, bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen vorrangig zu berücksichtigen se...