Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung und Bestimmtheit einer Kündigungserklärung
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung und Bestimmtheit einer Kündigungserklärung, in welcher die Arbeitgeberin "unter Beachtung der für Ihr Arbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist ordentlich und fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt" kündigt, im nächsten Satz aber eingeleitet mit der Wendung "nach unserer Berechnung" einen späteren als den nach der anwendbaren Kündigungsfrist sich ergebenden Kündigungstermin nennt.
Normenkette
KSchG § 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.03.2021; Aktenzeichen 10 Ca 5970/20) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.03.2021; Aktenzeichen 6 Ca 5964/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.03.2021 - 10 Ca 5970/20 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1) durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2020 nicht aufgelöst ist.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 Ca 5970/20 werden gegeneinander aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.03.2021 - 6 Ca 5964/20 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2) durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 10.09.2020 nicht aufgelöst ist.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 6 Ca 5964/20 hat die Beklagte zu 2) zu tragen.
Die gerichtlichen Kosten der Berufung sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren haben die Beklagten je zur Hälfte zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren haben die Beklagten jeweils selbst zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seiner jeweiligen Arbeitsverhältnisse durch von beiden Beklagten ausgesprochene Kündigungen.
Bei der Beklagten zu 1) handelte es sich um ein Flugunternehmen mit Sitz in Y.(P.). Alleingesellschafterin war die S. Holdings PLC. Die im Jahr 2020 neu gegründete Beklagte zu 2) hat ihren Sitz in N. und ist ebenfalls eine Fluggesellschaft der S. Gruppe. Ihre alleinige Gesellschafterin ist die H.Holding Limited, deren Alleingesellschafterin wiederum die S. Holdings PLC ist. Der im März 1986 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, absolvierte bei der Beklagten zu 1) ab dem 17.10.2018 eine Ausbildung als Copilot auf dem Flugzeugmuster Airbus 320. Im Anschluss daran war er seit dem 31.12.2018 Copilot und ab dem 30.10.2019 als Kapitän gegen ein Monatsbruttogehalt von zuletzt 8.400,00 € beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die "Ausbildung" bildete zunächst der Arbeitsvertrag vom 02.01.2019 (Bl. 23 ff. d. A.), der unter anderem bestimmte, dass das Arbeitsverhältnis "unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Termine" gekündigt werden könne. In dem "Kollektivvertrag für Angestellte der M. GmbH" (Beklagte zu 1)) (Bl. 27 ff. d. A.) ist für das Bordpersonal eine Grundkündigungsfrist von drei Monaten zum Letzten eines jeden Kalendermonats bestimmt. Unter dem 29.10.2019 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (auszugsweise deutsche Übersetzung Bl. 833 ff. d. A.) und unter dem 29.01.2020 einen weiteren Änderungsvertrag (auszugsweise deutsche Übersetzung Bl. 838 ff. d. A.). Danach war der Flughafen R. Heimatbasis, dieser Arbeitsort "kein wesentliches Element" der Vereinbarung und der Kläger einverstanden, dass die Beklagte zu 1) den Arbeitsort des Klägers je nach den geschäftlichen Bedürfnissen auf eine beliebige Flughafenbasis des Streckennetzes verlegen könne. Das Arbeitsverhältnis sollte österreichischem Recht unterliegen. Unter Nr. 30 Kündigung heißt es:
"Das Unternehmen kann Ihr Arbeitsverhältnis nach der Probezeit jederzeit durch eine gesetzliche Kündigungsfrist oder durch eine Abfindung zum 15. oder zum letzten Tag eines jeden Monats kündigen, je nachdem, wann die Kündigung erfolgt."
Das für die Beklagte zu 1) von einem externen Dienstleister betriebene Operations Control Center (OCC) nebst Einsatzplanung ("Rostering") befand sich in X., verschiedene Funktionsträger der Beklagten zu 1), etwa der Director of Operations und andere für den Flugbetrieb vorgeschriebene "nominated persons" hatten ihren Arbeitsort in T.. Die Beklagte zu 1) betrieb mindestens 24 in P. registrierte Flugzeuge des Modells Airbus A-320 von vier Basen aus (Z., R., Q. und T.). In R. waren etwa 70 Piloten und zuletzt sechs oder sieben Flugzeuge stationiert, die zumindest wegen der in Z. durchgeführten Wartung wechselten. Die Beklagte zu 1) hatte am Flughafen R. neben Parkplätzen und einem Schulungsraum einen Crewraum angemietet, in dem Schreibtische mit Telefon- und Telefaxanschlüssen eingerichtet waren. Einen Betriebsrat oder eine sonstige Personalvertretung gab es nicht. Der Kläger begann und beendete den Arbeitstag stets in R.. Die Beklagte zu 1) hatte am Standort R. den Status eines sog. "Home base ca...