Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel auf die Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen

 

Leitsatz (redaktionell)

Verweist der Arbeitsvertrag auf die Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen und sind in der Folgezeit immer wieder tarifvertragliche Regelungen bestätigt und auf das Arbeitsverhältnis übertragen worden (etwa die Erhöhung der Arbeitszeit), so handelt es sich nicht nur um eine Gleichstellungsabrede, sondern um eine Verweisung mit der Folge, dass auf den jeweils geltenden Tarifvertrag Bezug genommen wird und Tariferhöhungen an den Arbeitgeber weiterzugeben sind, auch wenn dieser keiner Gewerkschaft angehört.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.03.2015; Aktenzeichen 15 Ca 4054/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.2015 - 15 Ca 4054/14 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird (auch) mit dem Feststellungsantrag (als unzulässig) abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Die Klägerin ist seit 1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen angestellt. Ganz überwiegend war sie als Verkäuferin/Kassiererin zuletzt in Teilzeit mit 70 Stunden monatlich tätig; zwischenzeitlich hatte sie jedoch für einige Zeit die Funktion einer Supervisorin inne. Im Arbeitsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma Gebr. I. SE & Co. KG, vom 21.02.1992 (Bl. 142 ff. d. A.) heißt es u. a.:

"1. Der Mitarbeiter wird ab dem 1.4.1992 für I. im Angestelltenverhältnis als Verkäuferin/Kassiererin tätig.

....

2. Das Anstellungsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen nebst Nachfolgeverträgen sowie etwaigen Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

....

5. Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe G II Staffel 3.-5.J.d.T. des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft. (Tarifgehalt derzeit DM 2.706,--). Zusätzlich erhält der Mitarbeiter eine übertarifliche Zulage von DM 317,68 brutto; damit beträgt die vereinbarte Gesamtvergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) monatlich DM 3.023,68 brutto (...)."

Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages im Übrigen wird verwiesen.

Die Klägerin ist und war nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Die Beklagte ist ebenfalls nicht tarifgebunden. Ihre Rechtsvorgängerin war Mitglied des "Rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverbandes", trat jedoch zum 31.12.2011 aus diesem aus. Unter dem 29.07.2011 und dem 24.02.2012 traf sie mit der Klägerin Zusatzvereinbarungen, die auszugsweise folgenden Inhalt haben:

"Hamburg, 29. Juli 2011 ...

Änderung zum Dienstvertrag vom 21. Februar 1992

Sehr geehrte Frau A.,

in Bezug auf das mit Ihnen geführte Gespräch fassen wir nachstehend die mit Ihnen getroffenen Punkte nochmals zusammen:

1. In der Zeit vom 01. September 2011 bis zum 29. Februar 2012 erhöhen wir Ihre monatliche Arbeitszeit von derzeit 42,00 Stunden auf 70,0 Stunden.

2....

3. Analog zu Ihrer neuen monatlichen Arbeitszeit ändern sich Ihre monatlichen Bezüge - für die Dauer der Arbeitszeiterhöhung - wie folgt:

Tarifgehalt G II, nach dem 5. Tätigkeitsjahr€ 1111,84

Übertarifliche Zulage € 32,72

Essengeld € 17,18

-------------------

Bruttoentgelt gesamt € 1161,74

4....

5. Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen."

"Hamburg, 24. Februar 2012 ...

Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 21. Februar 1992

Liebe Frau A.,

in Bezug auf das mit Ihnen geführte Gespräch sowie der Ergänzung zu Ihrem Anstellungsvertrag vom 29. Juli 2011 möchten wir der guten Ordnung halber schriftlich festhalten, dass die Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf monatlich 70,00 Stunden nach dem 29. Februar 2012 auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.

Alle übrigen Punkte Ihres Dienstvertrages sowie der Ergänzung bleiben bestehen.

..."

Auf den Inhalt der Vereinbarungen im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 177 und 193 f. d. A.).

Am 01.01.2013 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

Die für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen ab 01.08.2013 und 01.05.2014 vereinbarten Tariferhöhungen gab die Beklagte nicht an die Klägerin weiter. Sie zahlte die Vergütung unverändert auf der Basis des im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifvertrages sowie zusätzlich eine übertarifliche Zulage in Höhe von 54,53 € brutto monatlich. Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung der Tariferhöhung ab August 2013 mit Schreiben vom 10.02.2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe aufgrund der Tariferhöhungen für die Zeit vo...

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