Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines nur zum Zwecke der Erlangung von Krankenversicherungsschutz eingegangenen Schein-Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen die Annahme eines Scheinarbeitsverhältnisses im Sinne des § 117 BGB lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, die Parteien hätten ein Arbeitsverhältnis gewollt, um für den (Schein-)Arbeitnehmer Krankenversicherungsschutz zu erlangen (entgegen LAG Köln 22.11.2002 - 11 Sa 697/02 -).
2. Ein derartiges Scheingeschäft kann grundsätzlich auch nicht durch Bestätigung nach § 141 BGB wirksam werden (ebenfalls entgegen LAG Köln 22.11.2002 - 11 Sa 697/02 -).
Normenkette
BGB §§ 117, 141
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 30.10.2018; Aktenzeichen 4 Ca 2431/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 30.10.2018 - 4 Ca 2431/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht sowie damit zusammenhängende Ansprüche.
Bis 2002 war die Klägerin für die Beklagte in Vollzeit als kaufmännische Sachbearbeiterin tätig. Seit dem 01.03.2006 erhielt sie von der Beklagten, bei deren Geschäftsführer es sich um den Ehemann der Klägerin handelte, eine Vergütung von 500,-- € brutto monatlich. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Unter dem 05.08.2015 erteilte der Geschäftsführer ihr auf dem Briefkopf der Beklagten ein Zwischenzeugnis, auf dessen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird (Bl. 25 d. A.). Anlässlich eines auch mit einer Änderung in der Geschäftsführung verbundenen Gesellschafterwechsels meldete die Beklagte die Klägerin zum 30.06.2017 bei der Krankenkasse ab und stellte sich auf den Standpunkt, zwischen den Parteien bestehe das seit 2006 abgerechnete Arbeitsverhältnis nicht. Auf der dem Unternehmenskaufvertrag beigefügten Mitarbeiterliste ist vermerkt, die Klägerin sei am 01.03.2006 bei der Beklagten eingetreten und erhalte ein Gehalt von 500,-- € brutto.
Mit Schreiben vom 28.08.2017, welches die Klägerin am 30.08.2017 erhielt, kündigte die Beklagte "vorsorglich … einen etwa bestehenden Arbeitsvertrag zum nächstmöglichen Termin", nach ihrer Ansicht zum 30.09.2017 (Bl. 24 d. A.).
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst Feststellung eines Arbeitsverhältnisses sowie Vergütung für Juli 2017 verlangt. Am 04.09.2017 hat sie die Klage auf die Kündigung erweitert. Sie hat die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung sowie die Sozialauswahl gerügt. Seit dem 01.03.2006 habe ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden, in dessen Rahmen sie die im Zwischenzeugnis dokumentierten Tätigkeiten erbracht habe. Diese seien jedoch von der Beklagten nicht bzw. in den letzten Jahren nicht mehr erwartet worden. Hintergrund für den Abschluss des Arbeitsvertrages seien in erster Linie sozialversicherungsrechtliche Gründe gewesen; der Klägerin habe Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verschafft werden sollen. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht hat sie zu ihrer Beschäftigung erklärt, sie sei überall gewesen, im Büro oben und unten im Lager; sie habe auch mal den Rasen gemäht. Von dem damaligen Geschäftsführer sei sie im Zusammenhang mit dem Verkauf des Unternehmens freigestellt worden. Außerdem hat sie sich unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22.11.2002 (- 11 Sa 697/02 - juris) darauf berufen, auf die Frage, ob sie habe arbeiten sollen, komme es rechtlich nicht an. Selbst wenn die Kündigung der Beklagten wirksam sei, könne sie das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.12.2017 beenden.
Die Klägerin hat nach mehreren Klageerweiterungen zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie Vergütung für Juli 2017 in Höhe von 500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie nach Zahlung des mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten Betrages eine Entgeltabrechnung mit den Angaben des § 107 Abs. 1 GewO zu erteilen;
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.08.2017 nicht aufgelöst wird;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie Vergütung für August 2017 in Höhe von 500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie Vergütung für September 2017 in Höhe von 500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2017 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie Vergütung für Oktober 2017 in Höhe von 500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2017 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kaufmännische Sachbearbeiterin in X. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ü...