Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlastungsanzeige wegen fahrlässiger Verletzung der Fürsorgepflicht. Schadensersatz wegen Gesundheitsgefährdung aufgrund permanenter Arbeitsüberlastung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Gesundheitsgefährdung aufgrund permanenter Arbeitsüberlastung besteht nicht, weil mangels ausreichendem Vortrag des Klägers eine fahrlässige Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers trotz Überlastungsanzeige nicht erkennbar ist.
Normenkette
SGB VIII §§ 16-18; ZPO §§ 91a, 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 20.03.2019; Aktenzeichen 1 Ca 1297/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 20.03.2019 - 1 Ca 1297/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.
Der 1971 geborene Kläger war seit 2005 bei der beklagten Stadt in einem von fünf "Regionalteams Jugendhilfe" Mitte/T. als Dipl. Sozialarbeiter zunächst im Rahmen einer Vollzeitstelle tätig. Seit dem Jahr 2012 betrug seine wöchentliche Arbeitszeit 30 Stunden. Seine Vergütung belief sich zuletzt auf 3.486,32 € brutto monatlich.
Die Tätigkeit des Klägers bestand einerseits in der sogenannten Hilfe zur Erzielung (HzE). Andererseits hatte er gesetzliche Pflichtaufgaben der Beklagten wie Beratungen gemäß §§ 16, 17 und 18 SGB VIII, Stadtteilarbeit, Präventionsprojekte etc. zu erfüllen.
Im März 2011 stellte das gesamte Regionalteam des Klägers eine Überlastungsanzeige. Unter dem 30.11.2011 schrieb die für das Regionalteam zuständige Supervisorin an den Personalrat eine Stellungnahme über die Belastungssituation des Teams, auf deren Inhalt im Einzelnen verwiesen wird (Bl. 26 f. d. A.). Am 05.12.2011 brachte das Team den Vorgesetzten eine weitere Überlastungsanzeige (Bl. 28 f. d. A.) zur Kenntnis. Diese nahm die Beklagte zum Anlass, den Fallzahlenschlüssel für Vollzeitkräfte aufgrund einer aktuellen Empfehlung des Landesjugendamtes von 1:37 auf 1:35 zu senken. Dementsprechend beschloss der Rat der beklagten Stadt am 19.03.2012 die Einrichtung von 3,5 zusätzlichen Planstellen. Am 10.04.2012 erteilte die Bezirksregierung Düsseldorf die aufgrund eines Haushaltssicherungsplans erforderliche Genehmigung. Unter dem 31.05., 29.07., 22.09. und 28.10.2015 zeigte der Kläger erneut akute Überlastung an und wiederholte dies am 24.02., 14.04. und 18.05.2016.
Im September 2015 genehmigte der Rat der beklagten Stadt eine unter dem 26.06.2015 gefasste Dringlichkeitsentscheidung über die Einrichtung von 5,0 neuen Planstellen für die Regionalteams des Fachbereichs Erzieherische Hilfen. Außerdem stimmte er im Dezember 2015 angesichts weiter angestiegener Fallzahlen der Einrichtung von 6,5 weiteren Planstellen sowie von 4,0 Planstellen für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern zu. In der gleichen Ratssitzung wurden zudem sogenannte Vorratsbeschlüsse gefasst, die eine zügige Nachjustierung der Planstellenzahl in den Regionalteams im Fall weiter ansteigender Fallzahlen ermöglichten. Infolgedessen wurden im Jahr 2016 insgesamt 10 weitere Planstellen eingerichtet. Gemäß einem Ratsbeschluss aus Dezember 2016 stattete die Beklagte die Regionalteams zusätzlich mit Teamkoordinatoren aus, welche von der Fallbearbeitung größtenteils freigestellt sind und durch grundlegende, übergreifende Tätigkeiten zu einer Entzerrung der Arbeitsdichte beitragen sollen. Insgesamt wurden somit in den Jahren 2015 und 2016 für die Regionalteams 29 Stellen neu eingerichtet.
Unter den 10.04.2017 wandte sich der zuständige Fachbereichsleiter wie folgt an die Mitarbeiter des Fachbereichs Erzieherische Hilfen:
"Die reale Fallbelastung in den Regionalteams der Erzieherischen Jugendhilfe liegt z.Zt., trotz beschleunigtem Wiederbesetzungsverfahren, zwischen 1:39 und 1:43 HzE plus Fällen pro Fachkraft (Stand April 2017).
Bedingt war und ist diese Fallbelastung durch Erkrankungen und Beschäftigungsverboten (im Zuge von Schwangerschaften) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, durch den Wechsel von Personal in andere Fachbereiche der Stadt Oberhausen, durch den Wechsel von Personal innerhalb des Fachbereiches und die Unterstützungsmaßnahmen für das Regionalteam Oberhausen Mitte/T..
Die Nachbesetzung von vakanten Stellen dauert trotz des beschleunigten Verfahrens länger als erwartet, weil am Beschäftigungsmarkt z.Zt. wenig geeignete und qualifizierte Sozialarbeiter/innen oder Sozialpädagogen/innen zur Verfügung stehen und die Bewerber in geeigneter Art und Weise kennen gelernt werden müssen.
Es muss daher leider davon ausgegangen werden, dass Sie noch etwas länger mit dieser Belastung arbeiten müssen.
Auf Grund des Umstandes, dass diese Belastung nun schon recht lange besteht und auch davon auszugehen ist, dass kurzfristig keine Abhilfe geschaffen werden kann, empfehle ich folgende Maßnahmen, die Sie in Absprache mit ihrer Regionalteamleitung und Teamkoordination nutzen können, um der Überlastung vorzubeugen:
- Anfragen ge...