Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozeß
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber ist aufgrund der Fürsorgepflicht nicht gehalten, den Arbeitnehmer nach Arbeitgeber-Kündigung im Kündigungsschutzprozeß abzuhalten vom Abschluß eines Abfindungsvergleichs, durch den der Arbeitnehmer dann den einzelvertraglichen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verliert; das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verschaffen wollte durch Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 14.10.1994; Aktenzeichen 4 Ca 2828/91) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasSchlußurteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom14.10.1994 – 4 Ca 2828/91 – abgeändert:
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 28.07.1936 geborene Kläger war ab 01.07.1974 als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig und wurde zuletzt als deren technischer Leiter eingesetzt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war dem Kläger „eine Versorgung nach Gr. A 14/Endstufe LBO-NW über die Rheinische Versorgungskasse des Landschaftsverbandes Rheinland” zugesagt. Die Beklagte ist Mitglied dieser Versorgungskasse.
Der Kläger war ab Anfang 1988 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte forderte den Kläger mehrfach vergeblich dazu auf, sich amtsärztlich auf seine Dienstunfähigkeit untersuchen zu lassen. Schließlich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger mit Schreiben vom 23.06.1988 zum 31.12.1988. Im Kündigungsschreiben war u.a. folgendes ausgeführt:
„Ich habe mit Bedauern festgestellt, daß Sie die Möglichkeiten einer krankheitsbedingten frühzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht wahrgenommen haben. Bei einem entsprechenden Erörterungsgespräch mit Herrn Stiftungsdirektor S. und Herrn Personalleiter N. war von Ihnen einer amtsärztlichen Untersuchung zugestimmt worden. Der in ihrer Anwesenheit mit Herrn Ltd. Stadtmedizinaldirektor Dr. O. vereinbarte Termin am 3. Mai wurde von Ihnen zum Untersuchungszeitpunkt telefonisch abgesagt. Sie gaben hierfür an, daß Sie nicht transportfähig seien. Auf Vermittlung von Herrn Personalleiter N. wurde Ihnen von Herrn Dr. O. ein zweiter Termin am 16. Mai, ersatzweise am 19. oder 20. Mai, eingeräumt. Im Telefonat am 5. Mai mit Herrn Personalleiter N. haben Sie sich für den 16. Mai entschieden. Am 10. Mai teilten Sie Herrn Personalleiter N. mit, daß Sie am 16. Mai wiederum nicht zur amtsärztlichen Untersuchung erscheinen könnten, da Sie zur gleichen Zeit vormittags an einem privaten Gerichtstermin teilzunehmen hätten. Mit Verwunderung habe ich auch zur Kenntnis genommen, daß Sie an dem Untersuchungstermin am 3. Mai, der wegen Ihrer mangelnden Transportfähigkeit abgesagt wurde, ebenfalls an einem Gerichtstermin in M. teilnehmen konnten.
Aus diesen wenigen Beispielen möchte ich Ihnen verdeutlichen, daß es am fürsorglichen Wollen des Dienstgebers nicht gefehlt hat, das Dienstverhältnis mit Ihnen in einer übereinstimmenden Weise zu beenden.
Da Sie auch in der Zwischenzeit weder für die Nachholung der notwendigen amtsärztlichen Untersuchung noch für die Weiterführung Ihres Dienstbereiches Interesse bekundet haben, ist damit auch jegliche Vertrauensgrundlage für eine Zusammenarbeit entfallen.
Aufgrund der sechsmonatigen Kündigungsfrist kann die Auflösung des Dienstverhältnisses erst zum 31.12.1988 rechtlich wirksam werden. Ich gehe davon aus, daß Ihr Gesundheitszustand in den restlichen sechs Monaten des bestehenden Dienstverhältnisses eine Wiederaufnahme Ihrer Arbeit nicht gestattet.”
Der Kläger wandte sich mittels Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung (Arbeitsgericht Oberhausen 3 Ca 1086/88). Danach schlossen der anwaltlich vertretene Kläger und die Beklagte in der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 26.07.1988 folgenden Vergleich:
„
- Die Parteien sind sich einig, daß das Arbeitsverhältnis seitens der Beklagten aufgrund fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung, die durch die Krankheit des Klägers ausgelöst wurde, zum 31.12.1988 sein Ende finden wird.
- Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Kläger unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt.
- Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger 48.000,– DM (achtundvierzigtausend) als Abfindung i.S.d. §§ 9, 10 KSchG und § 3 Ziffer 9 EStG zu zahlen.
- Von diesem Betrag werden 24.000,– DM (vierundzwanzigtausend) zum 01.10.1988 und weitere 24.000,– DM (vierundzwanzigtausend) zum 15.01.1989 fällig.
- Die Parteien sind sich einig, daß keinerlei Gehaltsfortzahlungs- oder Urlaubsentgeltansprüche des Klägers mehr bestehen.
- Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, mit Ausn...