Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung eines Chefarztvertrags. Verlust von Tätigkeitsbereichen durch Änderungskündigung eines Chefarztes. Entwicklungsklausel Chefarztvertrag
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines Chefarztvertrages mit sog. "Anpassungs-" bzw. "Entwicklungsklausel".
Leitsatz (redaktionell)
Die Besonderheit von Chefarztverträgen liegt vor allem darin, dass die Chefärzte den maßgeblichen Anteil ihres diesbezüglichen Einkommens in aller Regel aus den Liquidationsrechten beziehen. Es handelt sich dabei um eine vom Arbeitgeber eingeräumte Erwerbschance, die der Chefarzt quasi in eigener unternehmerischer Betätigung wahrnehmen kann.
Normenkette
BGB § 705; GewO § 106; MVG-EKiR § 38 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 19.12.2012; Aktenzeichen 2 Ca 1970/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 19.12.2012 - 2 Ca 1970/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Änderungskündigung.
Der am 16.08.1962 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist auf Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 06.08.2003 (vgl. Bl. 5 ff. d.A.) bei der Beklagten, die Trägerin des evangelischen Krankenhauses C. in N. ist, als Chefarzt der medizinischen Klinik seit dem 01.05.2004 beschäftigt und leitete die Klinik für innere Medizin ausschließlich. In § 3 Ziff. 1 seines Anstellungsvertrages war u. a. bestimmt worden:
"Der Chefarzt ist verantwortlich für die gesamte ärztlich gebotene Untersuchung, Behandlung und Beratung aller stationär behandelten Patienten seiner Klinik. ..."
Zur Vergütung für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich war in § 6 des Anstellungsvertrages u. a. bestimmt worden:
"1.Der Chefarzt erhält Bezüge nach Gruppe A15 der Besoldungsgruppe des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung.
2. ...
3.Der Chefarzt erhält
a)das Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, vereinbart und in Anspruch genommen haben;
b)...
4.C. übernimmt keine Gewähr für den Umfang der Inanspruchnahme gesondert berechenbarer wahlärztlicher Leistungen und für die Höhe und für den Eingang der Einnahmen des Chefarztes aus der Einräumung des Liquidationsrechtes nach Abs. 3; bei Rückgang entsprechender Liquidationseinkünfte entstehen keine Ausgleichsansprüche."
In § 13 des Anstellungsvertrages war unter der Überschrift "Organisationsrecht/Entwicklungsklausel" geregelt worden:
"1.C. hat das Recht, nach vorheriger Anhörung des Chefarztes strukturelle und organisatorische Änderungen im Krankenhaus vorzunehmen, d.h.:
a)Den Umfang der Abteilung/Klinik sowie Zahl und Aufteilung der Betten in dieser Abteilung zu ändern; C. ist verpflichtet, den Abteilungsumfang und/oder die Bettenzahl zu ändern, wenn der Krankenhausplan bzw. Gesetzgeber eine entsprechende Änderung vorsieht.
b)Nach Anhörung des Chefarztes:
Die Ausführung bestimmter Leistungen von der Abteilung/Klinik ganz oder teilweise abzutrennen und anderen Fachabteilungen (Kliniken), Funktionsbereichen, Instituten, Untersuchungs- oder Behandlungseinrichtungen oder Ärzten zuzuweisen;
c)weitere selbständige Fachabteilungen (Kliniken), Funktionsbereiche oder Institute - auch gleicher Fachrichtung - im Krankenhaus neu einzurichten, zu unterteilen, abzutrennen oder zu schließen;
d)weitere Ärzte - auch gleicher Fachrichtung - als leitende Abteilungsärzte einzustellen oder als Belegärzte zuzulassen.
2.Werden durch solche strukturellen und/oder organisatorischen Maßnahmen Vertragsgrundlagen für den Chefarzt wesentlich beeinträchtigt, so sind die hierdurch berührten Vertragsbestimmungen, insbesondere die finanziellen Bestimmungen, unter Wahrung der Ausgewogenheit neu zu regeln. Dem Chefarzt stehen keine Entschädigungsansprüche zu, wenn er nach der Maßnahme 65 % seiner bisherigen durchschnittlichen Vergütung erreicht."
Für die Einrichtung der Beklagten, die Mitglied der Diakonie im Rheinland ist, findet das Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der evangelischen Kirche im Rheinland (im Folgenden MVG-EKiR) Anwendung.
Mit Schreiben vom 28.06.2012 (vgl. Bl. 25 d.A.) hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.09.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, gekündigt und dem Kläger gleichzeitig angeboten, das Arbeitsverhältnis zu den sich aus dem in Ablichtung auf Bl. 26 zur Akte gereichten Änderungsangebot ergebenden Bedingungen, nämlich als Chefarzt der medizinischen Klinik I - Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie, Hämato-/Onkologie - weiter zu beschäftigen.
Der Kläger hat das Änderungsangebot der Beklagten mit Schreiben vom 03.07.2012 unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit d...