Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der arbeitsgerichtlichen Verfahren gegen den Geschäftsführer auf Leistung von Schadensersatz wegen Beteiligung an einem Kartell bis zum Abschluss des Strafverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Da der Geschäftsführer einer GmbH sich im Falle einer Beteiligung an Preisabsprachen möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht hat, ist das Verfahren auszusetzen bis zum Abschluss des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Normenkette
ZPO § 149
Verfahrensgang
ArbG Essen (Aktenzeichen 1 Ca 3569/12) |
Tenor
Der Rechtsstreit wird bis zur Erledigung des bei der Staatsanwaltschaft Bochum unter dem Aktenzeichen 48 Js 3/11 geführten Strafverfahrens ausgesetzt.
Gründe
Hinsichtlich der in allen drei Verfahren identischen Feststellungsanträge und des in den Verfahren 16 Sa 459/14 und 16 Sa 460/14 beziffert geltend gemachten Schadenersatzanspruchs in Höhe von 100 Mio. € waren die Verfahren nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 149 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf eine im Strafverfahren gegen den Beklagten mögliche Sachaufklärung auszusetzen.
I.Gemäß § 149 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.
Voraussetzung für eine Verfahrensaussetzung ist demnach ein aus Sicht des Gerichts bestehender Verdacht einer strafbaren Handlung eines Prozessbeteiligten, deren Ermittlung auf die Entscheidung des Zivilprozesses von Einfluss ist. Liegt diese Voraussetzung vor, muss das Gericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn im Strafverfahren abwägen (OLG Dresden vom 19.12.2014 - 5 W 1291/14; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.07.2009 - 7 Ta 147/09). Eine Verfahrensaussetzung kommt im Wesentlichen dann in Betracht, wenn die Umstände, auf deren Feststellung es im Zivilverfahren ankommt, streitig sind und die bessere Aufklärung gerade dieser Umstände im Strafverfahren zu erwarten ist, so dass eine erneute Klärung im Zivilverfahren erspart wird (Brandenburgisches OLG vom 16.08.2007 - 12 W 24/07).
II.Aus Sicht des Gerichts besteht der Verdacht einer strafbaren Handlung des Beklagten.
1.Erforderlich, aber auch ausreichend sind "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO. Es muss ein nach sorgfältiger Prüfung nicht von der Hand zu weisender Verdacht vorliegen (Brandenburgisches OLG vom 16.08.2007 - 12 W 24/07).
2.Die Existenz eines Schienenkartells, das Gegenstand der beiden Bußgeldbescheide war und an dem Geschäftsführer und Mitarbeiter diverser Unternehmen, unter anderem der weitere Geschäftsführer der Klägerin in dem unter dem Az. 16 Sa 459/14 anhängigen Verfahren, beteiligt waren, ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist allein, ob der Beklagte bei Kartellabsprachen eine aktive Rolle gespielt hat oder zumindest Mitwisser war.
a)Nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerinnen soll der Beklagte im Herbst 2001 an kartellrechtswidrigen Absprachen mit dem Schienenhersteller U. mitgewirkt haben, ein Verhalten, das den Straftatbestand des Submissionsbetruges nach § 298 StGB erfüllen würde, der auch sogenannte vertikale Absprachen zwischen Teilnehmern unterschiedlicher Wirtschaftsstufen erfasst (BGH vom 25.07.2012 - 2 StR 154/12). So gibt es eine unstreitig vom Beklagten verfasste und unterzeichnete Notiz, von der sich ein Exemplar in Händen der U. befand, die laut Klägerseite genau die Absprachen wiedergibt, die neben dem "offiziellen" Vertriebsvertrag getroffen wurden und Grundlage für die jahrelange kartellrechtswidrige Zusammenarbeit der Unternehmen gewesen sein sollen. Auch das Bundeskartellamt ist aufgrund seiner Ermittlungen, das als Beweismittel die Vernehmungen einer Vielzahl von Mitarbeitern und Organvertretern der beteiligten Unternehmen sowie den Inhalt der Bonusanträge der Unternehmen herangezogen hat, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte in der Notiz "Auslegung und Umsetzung" der Vertriebsvereinbarung zwischen den handelnden Unternehmen festgehalten habe.
b)Zudem soll namentlich der Mitgeschäftsführer C. den Beklagten dahingehend belastet haben, dass dieser nicht nur an den Verhandlungen zum Abschluss des Vertriebsvertrages im Herbst 2001 beteiligt, sondern auch im Nachgang für dessen Umsetzung durch Weisungen an den als Zeugen benannten Herrn C. gesorgt haben soll.
c)Des Weiteren behaupten die Klägerinnen, dass der Beklagte stets von bestehenden horizontalen multilateralen Absprachen Kenntnis gehabt habe und nennt diverse Gelegenheiten, bei denen er sich mit anderen Beteiligten hierzu ausgetauscht und sich persönlich für die Fortsetzung der kartellrechtswidrigen Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen eingesetzt haben soll. Seine Kenntnisse habe er pflichtwidrig nicht gegenüber den Gesellschaftern der von ihm geführten Unternehmen offengelegt, obwohl diese etwa aufgrund zweier Compliance-Audits mehr als deutlich gemacht hätten...