Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahmeklausel. Gleichstellungsabrede. Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
Eine sog. Gleichstellungsabrede ist dahin auszulegen, dass § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB im Falle anderweitiger, wechselseitiger kongruenter Tarifbindung beim übernehmenden Arbeitgeber in gleicher Weise Anwendung finden soll, wie es der Fall gewesen wäre, wenn statt der arbeitsvertraglichen Gleichstellung auf Arbeitnehmerseite vor dem Betriebsübergang eine kongruente Tarifbindung (kraft Gewerkschaftszugehörigkeit) bestanden hätte. Einer (ausdrücklichen) „Tarifwechselklausel” bedarf es insoweit nicht. (entgegen LAG Berlin vom 31.03.2006 – 6 Sa 2262/05).
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 Sätze 2-3
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 22.11.2005; Aktenzeichen 7 Ca 2758/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom22.11.2005 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt.
Das Arbeitsverhältnis wurde am 01.09.1972 mit der Stadt S. begründet, welches Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes war.
Im Arbeitsvertrag der Klägerin, wie auch bei anderen Arbeitnehmern, war bestimmt worden:
„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.1.1962 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) und der Anlage 5 zum BMT-G II, in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung. …”
Das Arbeitsverhältnis ging zunächst auf die T. Klinikum S. GmbH über, welche ihrerseits (Voll-)Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband war.
Ab 01.04.2004 wurde die Klägerin Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Die Beklagte übernahm mit Wirkung ab 01.07.2004 den Bereich Reinigung von der T. Klinikum S. GmbH. Über diesen Teilbetriebsübergang wurde die Klägerin mit Schreiben vom 05.05.2004 unterrichtet.
Ab diesem Teilbetriebsübergang, dem die Klägerin nicht widersprochen hatte, nahm die Beklagte die Lohnabrechnungen der Klägerin und die der anderen Mitarbeiter im Reinigungsbereich nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk vor.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Lohndifferenzen zwischen den sich nach BMT-G II errechnenden Entgelten und der von der Beklagten für den Zeitraum Juli 2004 bis Mai 2005 gezahlten Vergütung geltend.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass aufgrund ihres Arbeitsvertrages und des dort unter § 2 in Bezug genommenen BMT-G II die Regelungen dieses Tarifvertrages auch für die Rechtsbeziehung der Parteien, d. h. für die zu zahlende Arbeitsvergütung, verbindlich blieben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.662,72 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz von 911,97 EUR brutto ab dem 10.10.2004, von weiteren 3.521,35 EUR brutto ab dem 15.03.2005 und von weiteren 1.229,40 EUR brutto ab Zustellung der Klage am 22.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB sei der BMT-G durch den für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag und den ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Lohntarifvertrag für die gewerblich beschäftigten Arbeitnehmer der Gebäudereinigung abgelöst worden. Die Klägerin sei von der T. Klinikum S. GmbH darauf hingewiesen worden, dass bei der Beklagten die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk gelten. Diese Tarifverträge enthielten eine umfassende und abschließende Vergütungsregelung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem Betriebsübergang auf die T. Klinikum S. GmbH die aufgrund der Gleichstellungsabrede für die Klägerin verbindlichen Tarifverträge nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB einzelvertraglich Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der T. Klinikum S. GmbH geworden seien. Ein anderer Tarifvertrag habe diese Tarifnorm nicht nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB verdrängen können, da die T. Klinikum S. GmbH nicht tarifgebunden gewesen sei.
Gegen dieses ihr am 09.01.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und mit einem am 20.03.2006 – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.03.2006 – eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte rügt, dass die Annahme des Arbeitsgerichts, die T. Klinikum S. GmbH sei nicht tarifgebunden gewesen, unzutreffend sei. Tatsächlich sei die T. Klinikum S. GmbH seit dem 01.09.1992 ordentliches Mitglied ...