Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung. unterschiedliches Rentenzugangsalter von Männern und Frauen
Leitsatz (amtlich)
1. Die betriebliche Versorgungsregelung verstößt gegen Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG, wenn aufgrund geschlechtsbezogener Gruppenbildung ein Mann ein höheres Rentenzugangsalter als eine Frau erreichen muß, um dieselbe Betriebsrente zu erhalten. Die Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigt keine analoge Ungleichbehandlung in betrieblichen Altersversorgungen.
2. Jedenfalls dürfen anerkannte Schwerbehinderte nicht schlechter gestellt werden als Frauen (vgl. § 1248 Abs. 1 u. 3 RVO).
3. Die Ausschlußfristen des MTV-Metallindustrie erfassen weder das Rentenstammrecht noch die laufenden Rentenansprüche (im Anschluß an BAG, Urteil vom 27.02.1990, EzA Nr. 83 zu § 4 TVG Anschlußfristen). Die laufenden Ansprüche verjähren in zwei Jahren (BAG Urteil vom 14.06.1994, EzA Nr. 8 zu § 196 BGB).
Normenkette
GG Art. 3; BetrAVG § 1; BGB §§ 196, 611; RVO § 1248; MTV-Metallindustrie NRW § 19
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 14.05.1996; Aktenzeichen 1 Ca 5688/95) |
Tenor
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.05.1996 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 651,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 06.09.1995 sowie DM 147,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 23.04.1996 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu 3/4.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Sachverhalt:
Nach der Versorgungsordnung der Beklagten erhalten Männer mit Vollendung des 65.
Lebensjahres, Frauen mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine betriebliche „Altersrente”. Bei vorzeitigem Ausscheiden wird unter überproportionaler Kürzung – eine „vorzeitige Altersrente” gewährt.
Der schwerbehinderte Kläger schied Ende 1980 nach Vollendung des 60. Lebensjahres bei der Beklagten aus. Er verlangt Altersrente in der Höhe, wie sie einer Arbeitnehmerin bei Ausscheiden nach Vollendung des 60. Lebensjahres zustünde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ihr – bis auf einen verjährten Teil der Forderung – stattgegeben.
Die Parteien streiten darüber, ob es rechtens ist, daß nach der Versorgungsordnung der Beklagten die Betriebsrente bei Männern gekürzt wird, wenn sie vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheiden, während bei Frauen, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres ausscheiden, keine Kürzung vorgesehen ist.
Der am 17.09.1919 geborene Kläger war seit dem 22.10.1946 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der MTV-Metallindustrie NRW Anwendung. Die Beklagte hatte ihren Mitarbeitern in einer „Versorgungsordnung” Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Die Versorgungsordnung bestimmt, soweit hier von Interesse, folgendes:
III. Anspruch auf Altersversorgung
- Wer nach Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf Altersrente.
- Wer vor Erreichen der Altersrente aus der Firma ausscheidet und durch Vorlage des Rentenbescheids einen Sozialversicherungsträgers nachweist, daß er von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 25 AVG, § 1248 RVO) bezieht, hat Anspruch auf vorzeitige Altersrente.
- Altersgrenze ist bei Männern das vollendete 65. Lebensjahr, bei Frauen das vollendete 60. Lebensjahr.
VI. Höhe des Ruhegeldes
- Das monatliche Ruhegeld beträgt DM 3,00 für jedes rentenfähige Dienstjahr.
- Als vorzeitige Altersrente wird das nach Absatz 1 ermittelte Ruhegeld gewährt, jedoch gekürzt um 0,5 % für jeden vollen Monat; der bei Ausscheiden an der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Männern und des 60. Lebensjahres bei Frauen fehlt.
Der Kläger schied zum 31.12.1980 als anerkannter Schwerbehinderter wegen Bezugs des gesetzlichen Altersruhegeldes bei der Beklagten aus. Diese zahlte an ihn fortan eine Betriebsrente in Höhe von monatlich DM 79,00 (34 Dienstjahre × 3,00 DM = DM 102,00 abzüglich 45 Monate [Zeitraum zwischen Ausscheiden und Vollendung des 65. Lebensjahres] × 0,5 % = DM 22,95).
Mit der im September 1995 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage begehrt der Kläger für die Zeit ab 01.01.1992 die Differenz zwischen der gezahlten Betriebsrente und dem Betrag, der einer weiblichen Arbeitnehmerin mit derselben anrechnungsfähigen Dienstzeit und demselben Lebensalter im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb zustünde. Er sieht in der unterschiedlichen Festsetzung des Rentenzugangsalters für Männer und Frauen eine sachwidrige, geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung.
Der Kläger verlangt den auf monatlich DM 21,00 bezifferten Differenzbetrag für den Zeitraum bis zum 29.02.1996 und beantragt demgemäß,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 903,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 06.09.1995 zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 147,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.04.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung und meint, daß der überwiegende Teil der F...