Entscheidungsstichwort (Thema)

auch bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher. Vorliegen der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. keine schrankenlose Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien bei sachgrundlos befristeten Verträgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfügt der Verleiher über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG, wird auch bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis nicht mit dem Entleiher begründet. Ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher kann auch nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung von §§ 1 Abs. 2, 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG begründet werden. Jedenfalls für Verträge, die vor Änderung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG abgeschlossen wurden, kann auch kein nach § 242 BGB rechtsmissbräuchliches Schein- oder Strohmanngeschäft angenommen werden (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 7 Sa 1182/12 -, [...] und entgegen LAG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09. Januar 2013 - 15 Sa 1635/12 -, [...]).

2. Die durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge und die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zu regeln, gewährt den Tarifvertragsparteien keine schrankenlose Dispositionsbefugnis (vgl. BAG, Urteil vom 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 -, [...]). Die Regelungen des Tarifvertrages bedürfen vielmehr der Rechtfertigung durch einen sachlich nachvollziehbaren Grund. Als solcher kommt insbesondere die durch den Tarifvertrag inhaltlich und zeitlich ausgestaltete Verpflichtung zur Überführung von befristet beschäftigten Leiharbeitnehmern in Festanstellungen in Betracht.

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 02.08.2012; Aktenzeichen 2 Ca 784/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 02.08.2012 - 2 Ca 784/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft zum einen die Frage, ob zwischen dem als Leiharbeitnehmer tätigen Kläger und der Beklagten zu 1. als Entleiherin infolge einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Zum anderen begehrt der Kläger für den Fall, dass das nicht so sein sollte, die Feststellung, dass das zwischen ihm und der Beklagten zu 2. als Verleiherin begründete Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 30.04.2012 beendet worden ist.

Die beiden Beklagten sind Tochtergesellschaften der T. L.-Werke GmbH. Die Beklagte 1. beschäftigt sich mit der Herstellung von Stahlprodukten. Die Beklagte zu 2. verfügt über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Sie überlässt die bei ihr angestellten Arbeitnehmer an verschiedene Unternehmen des Konzerns, insbesondere an die Beklagte zu 1.

Mit der Industriegewerkschaft Metall, deren Mitglied der Kläger ist, schloss die Beklagte zu 2. unter dem 24.10.2005 einen zum 01.11.2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag ab, der unter anderem folgende spezielle Regelung über die (sachgrundlose) Befristung von Arbeitsverhältnissen enthielt:

"§ 6 Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz innerhalb der Gesamtdauer von drei Jahren bis zu sechsmal verlängert werden. Sollten sich im Einzelfall aus dieser Regelung Probleme ergeben, so kann hierfür mit der örtlichen Verwaltungsstelle N. eine Sonderregelung getroffen werden.

Im Fall einer Verlängerung erhält der Arbeitnehmer einen Monat vor Ablauf der Befristung eine Mitteilung.

Nach einem Jahr Beschäftigung soll dem Beschäftigten eine Vertragsverlängerung von mindestens 6 Monaten angeboten werden."

Mit "Tarifvertrag vom 01.11.2005 i.d.F. vom 18.12.2006" modifizierten die Tarifvertragsparteien die Regelungen zur Befristungsthematik wie folgt:

"§ 6 Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses

1. Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz innerhalb der Gesamtdauer von sechs Jahren bis zu achtmal verlängert werden. Sollten sich im Einzelfall aus dieser Regelung Probleme ergeben, so kann hierfür mit der örtlichen Verwaltungsstelle N. eine Sonderregelung getroffen werden.

Die maximale Gesamtdauer der Befristung von sechs Jahren hängt von der nachfolgend dargestellten prozentualen Übernahme von befristeten Arbeitsverhältnissen in unbefristete Arbeitsverhältnisse ab. Feststehende Ausgangsbasis ist eine Beschäftigtenzahl von 106 Arbeitnehmern:

Zeitschiene Prozentsatz= Übernahme insgesamt Restblm.

Bis 31.12.2006 15% =16 AN 16 AN 90 AN

Bis 31.12.2007 15% =13 AN 29 AN 77 AN

Folge: Verlängerung der Befristungsmöglichkeit auf 4 Jahre.

Bis 31.12.2008 15% =11 AN 40 AN 66 AN

Folge: Verlängerung der Befristungsmöglichkeit auf 5 Jahre.

Bis 31.12.2009 15% =10AN 50 AN 56AN

Folge: Verlängerung der Befristungsmöglichkeit auf 6 Jahre.

2. Die Verpfli...

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