Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder Teile eines solchen
Leitsatz (amtlich)
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - juris) sind Absprachen in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich betriebsvereinbarungsoffen. Diese Rechtsprechung ist auf Abänderungen durch Tarifverträge nicht übertragbar (entgegen Ubber/Massig BB 2017, 2230, 2234, die eine "Kollektivvertragsoffenheit" annehmen). Das Bundesarbeitsgericht stellt nämlich maßgeblich darauf ab, der Arbeitgeber mache mit der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinreichend deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Anders als die Regelungen einer Betriebsvereinbarung vermögen Tarifverträge jedoch (sofern sie - wie hier - nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind) keine einheitlichen Arbeitsbedingungen herbeizuführen, da sie für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer nicht gelten.
Leitsatz (redaktionell)
Die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag oder auf Teile eines solchen ist insbesondere bei fehlender Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung in der Regel dynamisch zu verstehen.
Normenkette
BGB §§ 611, 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.05.2017; Aktenzeichen 6 Ca 4331/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.05.2017 - 6 Ca 4331/16 - im Kostenpunkt abgeändert:
Die Kosten der I. Instanz haben die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 14 % und die Beklagte zu 2) zu 86 % zu tragen.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 14 % und die Beklagte zu 2) zu 86 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach dem Abkommen über die ERA-Entgelte der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 13.05.2016 (im Folgenden: EA 2016, Bl. 5 ff. der Akte) hat.
Der Kläger ist bei den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der T. + C. KG, seit 1979 beschäftigt. Diese war bei und seit der Einstellung des Klägers tarifgebunden. Der Kläger ist - nach seiner Behauptung bereits seit Oktober 2011 - Mitglied der IG Metall. Im Arbeitsvertrag vom 15.11.1979 (Bl. 51 der Akte) heißt es u. a. wie folgt:
"1. [...] Ihre Einstufung ist die Tarifgruppe 3 ...
4. Für das Arbeitsverhältnis gelten die Mantel- und Rahmentarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens.
5. Die Firma behält sich vor, übertarifliche Bezüge zu widerrufen."
Unter dem 27.02.2004 schloss die T. + C. KG mit der IG Metall einen Haustarifvertrag (Bl. 28 f. der Akte), der das Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie NRW mit gewissen Modifikationen zur Anwendung brachte. Insbesondere enthielt er statt der 35-Stunden-Woche eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich und ersetzte das Urlaubsgeld und die Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens durch eine Gesamtzahlung von 2.000,00 € jährlich. Zur Umsetzung einer im Haustarifvertrag enthaltenen Regelung schloss die T. + C. KG zudem am 01.10.2004 mit ihrem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung Ausgleich Sonderzahlung / Gewinnbeteiligung". Auf den genannten Grundlagen wickelte die T. + C. KG die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer ab.
Die Beklagte zu 1. entstand am 05.09.2006 durch Ausgliederung aus der T. + C. KG; dabei gehörte der Haustarifvertrag nicht zu dem übertragenen Vermögen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der T. + C. KG ging im Wege des (Teil-) Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1. über (Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB, Bl. 53 f. der Akte). Die Beklagte zu 1. war und ist weder Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der Tarifverträge mit der IG Metall vereinbart hat, noch hat sie einen Haustarifvertrag geschlossen. Sie wandte den Firmentarifvertrag bis zum 30.06.2016 auf alle Arbeitsverhältnisse - mit Ausnahme einiger Führungskräfte und außertariflicher Mitarbeiter - an. Sie gab zunächst alle tariflichen Entgelterhöhungen seit 2006 bei einer unveränderten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden an die Mitarbeiter weiter und leistete auch die Sonderzahlung nicht in der verbandstariflichen Form, sondern nach der Regelung des Haustarifvertrages. Mit Schreiben vom 16.11.2011 (Bl. 48 f. der Akte) informierte sie die Mitarbeiter über die Einführung des Entgeltrahmenabkommens zum 01.01.2012.
Mit einem vom Kläger an der vorgesehenen Stelle als "Einverstanden" gegengezeichnetem Schreiben vom 08.07.2013 (Bl. 52 f. der Akte), welches einem von ihr damals verwendeten Muster entsprach, wandte sich die Beklagte zu 1. wie folgt an den Kläger:
"Vergütungsänderung/Umgruppierung
Sehr geehrter Herr von L.,
wir beziehen uns auf Ihren Anstellungsvertrag vom 01.08.1978. Wir freuen uns Ihnen heute mitzuteilen, dass wir Sie ab dem 01.07.2013 umgruppieren ...