Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Vereinbarung der Geltung des Abkommens über die ERA-Entgelte der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Auslegung arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die "für die Gesellschaft jeweils geltenden Tarifverträge" im Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel; Abgrenzung zwischen einer Wissens- und einer Willenserklärung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Klausel im vorformulierten Arbeitsvertrag, wonach auf das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers die für die Gesellschaft jeweils geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung finden, stellt eine große dynamische Verweisungsklausel auf die jeweils geltenden Tarifverträge dar. Soweit im Anschluss daran bestimmte Tarifverträge aufgeführt werden, handelt es sich um eine reine Wissenserklärung und nicht um eine Willenserklärung, die auf Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolges gerichtet ist.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.02.2018; Aktenzeichen 15 Ca 3392/17) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.02.2018, 15 Ca 3392/17, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach dem Abkommen über die ERA-Entgelte der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zwischen dem Metall NRW Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen vom 13.05.2016 (im Folgenden: ERA 2016) hat.
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der T. und C. Distributions GmbH, seit dem 17.11.2014 als Supply Chain Process Administrator für den Fachbereich Logistik beschäftigt.
Rechtsvorgängerin der T. und C. Distributions GmbH war die T. und C. KG, die unter dem Datum vom 27.02.2004 mit der IG Metall einen Haustarifvertrag abgeschlossen hat, der das Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie NRW mit gewissen Modifikationen zur Anwendung brachte. Insbesondere enthielt der Tarifvertrag statt der 35-Stunden-Woche eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich und ersetzte das Urlaubsgeld und die Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens durch eine Gesamtzahlung von 2.000,00 € jährlich. Außerdem enthielt der Haustarifvertrag abschließend die Erklärung, dass die Arbeitgeberseite ab dem 01.01.2007 beabsichtige, im Unternehmen die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels vollständig zur Anwendung zu bringen.
Wegen des Inhalts des Haustarifvertrages im Einzelnen wird auf Bl. 115 bis 116 der Akte Bezug genommen.
Im Jahr 2006 entstand die T. und C. Distributions GmbH durch Ausgliederung aus der T. und C. KG.
Die T. und C. Distributions GmbH hat sämtliche Tariferhöhungen entsprechend den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie an ihre Mitarbeiter weitergegeben bei einer Wochenarbeitszeit von weiterhin 38,5 Stunden. Die Sonderzahlung leistete sie nach der Regelung des Haustarifvertrages. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte nicht normativ an die Tarifverträge gebunden ist.
Mit Wirkung zum 01.01.2012 führte die T. und C. Distributions GmbH die Entgeltzusammensetzung nach ERA ein.
Der zwischen dem Kläger und der T. und C. Distributions GmbH unter dem Datum vom 07./11.11.2014 geschlossene Arbeitsvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 2 Betriebliche und tarifliche Regelungen
Neben den Regelungen dieses Vertrages und den gesondert bestehenden betrieblichen Regelungen (Betriebsvereinbarungen, Richtlinien, Regelungsabreden, Arbeitsanweisungen etc.) finden auf das Arbeitsverhältnis, unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers, die für die Gesellschaft jeweils geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Dies sind gegenwärtig die einschlägigen Flächentarifverträge der "Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen" und der Haustarifvertrag vom 27.02.2004.
[...]
§ 4 Vergütung
Sie werden auf der Basis der derzeit bei der Gesellschaft zur Anwendung kommenden Tarifverträge entsprechend Ihrer Tätigkeit eingestuft. Ihr Gesamtbruttomonatsgehalt setzt sich wie folgt zusammen:
Tarifgehalt EG 103.029,00 €
freiwillige Zulage (ÜT)_________1.371,00 €
Gesamt4.400,00 €"
Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf Bl. 38 bis 44 der Akte Bezug genommen.
Ausweislich einer Bescheinigung des Arbeitgeberverbandes WIGADI Rheinland Düsseldorf Niederrhein e.V. (Wirtschaftsvereinigung Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen) vom 28.07.2015 wurde die Mitgliedschaft der T. und C. Distributions GmbH bestätigt. Im Jahr 2015 wurde die T. und C. Distributions GmbH (heute firmierend unter "J. group Holding GmbH") in die J. Gruppe übernommen.
Der Kläger i...